Der Berg ruft nur sehr leise
COCHSTEDT/MZ. - Die unbekannte Größe
Der Berg befindet sich im Hakelforst in der Nähe von Cochstedt. Doch selbst hier, an der Grenze zum Landkreis Harz, stellt er für die meisten Menschen einen kleinen großen Unbekannten dar. Und dementsprechend ist es gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der mit dem Berg und dessen Geschichte vertraut ist.
Eberhard Sternberg ist so jemand. Der 76-Jährige war seit 1951 an der erweiterten Oberschule in Cochstedt tätig. Für den schwindenden Bekanntheitsgrad des Phillips Galgenbergs hat er vielfältige Ursachen ausgemacht.
Zunächst sei der Berg mittlerweile in einen bestellten Acker umgewandelt worden und deswegen eher als Feld denn als Berg zu erkennen. Darüber hinaus wäre die Anhöhe aus Richtung Cochstedt überhaupt nicht zu sehen. Außerdem ist die westlich des Phillips Galgenbergs befindliche Domburg ungefähr 20 Meter höher als dieser, findet Sternberg eine weitere Erklärung für die abnehmende Bekanntheit des Bergs. Die mittelalterliche Ruinenanlage ist mit 244,5 Metern die höchste Erhebung im Hakel. Sie gehört jedoch zum Landkreis Harz.
Bedrohte Geschichte
Das Hauptproblem sieht Sternberg jedoch in einem ganz anderen Punkt: den zahlreichen Schulschließungen in der östlichen Umgebung des Hakels. "Ich war damals immer bemüht im Unterricht eine Beziehung zur Heimat herzustellen", erinnert er sich wehmütig an eine Zeit, in der es in Cochstedt wie in anderen kleinen Orten noch Schulen gab. Doch nun befindet sich die nächstgelegene Bildungsstätte eine Schulbusviertelstunde entfernt in Egeln. Eine Distanz, die für Wohl und Wehe lokaler Historie entscheidend sein kann. Denn über die regionalen Besonderheiten Cochstedts würde dort niemand unterrichtet. So befürchtet Eberhard Sternberg, dass die Geschichte des Phillips Galgenbergs irgendwann gänzlich verloren gehen wird.
Tod und Wilddieberei
Der ehemalige Lehrer weiß zu berichten, dass sich im Mittelalter auf dem Hügelgrab tatsächlich ein Galgen befand. An diesem wurden vor allem Wilddiebe hingerichtet. Aufgrund von Armut und Hungersnöten war die unerlaubte Jagd zu dieser Zeit nämlich ebenso verbreitet wie gefährlich.
Nicht selten haftet Orten mit solch einer schaurigen Vergangenheit ein Wust aus Mythen und Mysterien an. Im Fall des Hakel-Bergs ist die Sage vom namengebenden Wilddieb Philipp besonders verbreitet - insofern man angesichts des schwindenden Bekanntheitsgrads der Anhöhe noch von "verbreitet" sprechen kann. Jener Philipp endete wie viele seiner Zeit- und Leidensgenossen am Galgen. Sein weiteres Schicksal unterschied sich jedoch von dem der Anderen.
Wahrheit oder Mythos ?
Bei Sagen liegen Wahrheit und Dichtung häufig nah beieinander. Und so machte es sich der Cochstedter Lehrer und Heimatforscher Hugo Hölzer zur Aufgabe, die Grenze zwischen Fakt und Fiktion deutlich zu kennzeichnen. In den 1930er Jahren begann er, die tatsächlichen Ereignisse zu dokumentieren, auf denen die Sage beruht. Bei seinen Recherchen im Ratshandelsbuch der Stadt stieß er auf immer neue Teile des Puzzles, die er schließlich zu einer stimmigen Rekonstruktion der Geschehnisse zusammenfügte.
Laut Hölzers Aufzeichnungen war Peter Phillip ein Wilddieb, der auf dem Galgenberg gehängt wurde. Weshalb ausgerechnet die Hinrichtung dieses Mannes die Menschen fast 400 Jahre lang beschäftigte, geht aus den Dokumenten nicht hervor. Auch der Heimatforscher war hier überfragt.