Ausschlafen statt Beratung
Bernburg/MZ. - Stefanie Deutschbein, Beraterin für akademische Berufe und Berufsorientierung und eigentlich im Erziehungsurlaub, hat 90 Minuten eingeplant, um junge Menschen über das "Bewerben um eine betriebliche Ausbildungsstelle" zu informieren.
Die 32-Jährige, die gerade noch einen Babysitter organisiert hat, kommt schnellen Schrittes. Doch beeilen muss sie sich nicht. Es ist niemand weiter da. Der Vorraum ist vollkommen leer und verlassen.
Dabei hat die junge Mutter alles bestens vorbereitet. Computer, Clip-Chart, Overhead-Projektor und Folien warten - wie die 15 Stühle um einen langen Tisch sowie die 15 weiteren Plätze aufgeteilt auf drei Sitzreihen - nur darauf, benutzt zu werden. Stefanie Deutschbein befürchtet Schlimmes: "Vielleicht kommt niemand".
Die Vorahnung ist berechtigt. Der Tag zuvor war Feiertag, Christi Himmelfahrt. Und da stehen Bier-Ozeane, Bratwurst-Gemetzel, schwankendes Fahrrad-Gegondel, Ausschlafen bis zum Mittag am nächsten Tag und die Aussicht auf ein langes Wochenende bei den Schülern wesentlich höher im Kurs oder Vortragsveranstaltungen.
"Der Termin ist ungünstig. Ich weiß es", sagt sie: "Doch was soll ich tun. Es geht gar nicht anders." Schließlich müssen solche Veranstaltungen in die Ferien gelegt werden, da die jungen Menschen dafür kein schulfrei bekommen. Das dann alles auch noch so einzutakten, dass "die entsprechenden Räume frei sind" und "die Termine auch für mich passen", ist äußerst schwierig - besonders, da sie eigentlich im Mutterschaftsurlaub ist und das nebenbei macht. Ihre anderen beiden Kollegen, mit denen sie diese Aufgaben gemeinsam in den Ämtern Anhalt-Zerbst, Dessau, Köthen und Bernburg betreut, sind völlig überlastet: "Die können das gar nicht allein abdecken", sagt Stefanie Deutschbein.
Inzwischen ist es bereits nach 10 Uhr. Sie geht noch einmal in Richtung Rezeption und kommt tatsächlich mit Madelyn Eising und Matthias Habel zurück. "So wenige wie dieses Mal hatte ich wirklich nur einmal", sagt die Mitarbeiterin der Arbeitsagentur. Ansonsten seien es immer zwischen fünf und 30.
Doch Stefanie Deutschbein macht aus der Not eine Tugend. Sie rückt mit den beiden Gymnasiasten in eine Ecke. Individuelle Betreuung nennt man das. Sie plaudert aus dem Nähkästchen, erklärt den eigens entworfenen Handzettel und stellt sich den Fragen. Und auch wenn sie sich gern um Madelyn Eising und Matthias Habel kümmert, hofft sie doch, dass am kommenden Dienstag mehr los ist. Dann findet die gleiche Veranstaltung noch einmal statt. "Schließlich haben wir viele arbeitslose Jugendliche. Die können Hilfe gebrauchen."