Ärger mit dem Jobcenter Ärger mit dem Jobcenter : 370 Euro müssen reichen

Bernburg - Alexander Winterfeld hat große Sorgen. Er fürchtet, dass er, seine Frau und seine Tochter bald auf der Straße sitzen werden. Denn das Jobcenter des Salzlandkreises hat ihnen das Geld für die Wohnung gestrichen. Und zwar, weil Winterfelds Frau versucht, langfristig wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wie kann das sein?
Der Bernburger und seine Frau leben seit 2014 von Hartz IV. Er hat als Steuerfachangestellter eigentlich gute Chancen, einen Job zu finden. Winterfeld arbeitete zunächst in Frankfurt (Main) und nach seiner Rückkehr nach Bernburg in der Region. Doch 2013 wurde er krank. Diagnose: Burn Out. „Es wurde immer mehr. Es waren zu viele Aufgaben“, sagt der 36-Jährige.
Alexander Winterfeld ließ sich behandeln, doch der Weg zurück in den Beruf klappte nicht - auch wegen seiner Erkrankung. „Eine Umschulung gewährte mir das Jobcenter nur widerstrebend, weil der Bereich gefragt ist“, sagt er. Schließlich kann er eine Wiedereingliederungsmaßnahme beim „faw bernburg“ absolvieren.
Für Unterhalt der Familie mit sorgen
Seine Frau hat hingegen keine Ausbildung, möchte das aber ändern und zum Unterhalt der Familie beitragen. „Sie wollte etwas mit Zukunft machen“, sagt Alexander Winterfeld. Im September 2015 beginnt die heute 33-Jährige eine Ausbildung zur Physiotherapeutin in Magdeburg.
„Damit fingen die Probleme an“, sagt der Bernburger. Denn die junge Frau bekommt nun kein Geld mehr vom Jobcenter, weil sie eine Ausbildung macht: weder den Hartz-IV-Satz noch das Wohngeld. Denn dafür sei das Jobcenter nicht mehr zuständig, wie die Behörde den Winterfelds mitteilte. Für Bafög ist sie zu alt. Stattdessen müssen die Winterfelds nun Geld für die Schule zahlen und auch das Fahrgeld nach Magdeburg vorstrecken.
Wohnung zu teuer
Weil der Familie die Leistungen gekürzt wurden, können sie sich ihre Wohnung im Bernburger Ortsteil Peißen nicht mehr leisten und ziehen in die Kreisstadt. Und sie müssen Schulden machen. Seit Juli dieses Jahres wohnen sie zu dritt in einer 60-Quadratmeter-Wohnung. Sie gehört einer Genossenschaft, darum müssen Winterfelds in Raten Einlagen zahlen, um dort wohnen zu dürfen.
Die Familie finanziert das über ein Darlehen - das allerdings zunächst nicht in voller Höhe genehmigt wird. Die Kosten für Miete und Darlehen übernimmt zwar das Jobcenter - allerdings nicht für Winterfelds Frau. „Wir haben aber nur Anspruch auf die Wohnung, wenn wir den Genossenschaftsanteil zu hundert Prozent zahlen“, erklärt Alexander Winterfeld. Anfang Oktober ist die Familie wegen des nicht voll gewährten Darlehens zwei Raten im Rückstand.
Der Vermieter habe bereits rechtliche Schritte angedroht. Den Familienvater belastet diese Situation sehr. „Das Jobcenter hat sehr strenge Regeln. Das zieht mich runter“, beschreibt er.
Widerspruch eingelegt
Doch der Bernburger gab währenddessen nicht auf, hatte bereits im Juli Widerspruch beim Jobcenter gegen die Entscheidung eingelegt. Erst im Oktober - auf Nachfrage der MZ beim Jobcenter - gibt es eine Reaktion. Thomas Holz, neuer Betriebsleiter, erklärt: „Wir haben derzeit eine Frist von bis zu drei Monaten bei der Bearbeitung der Widersprüche.“
Im Fall der Familie Winterfeld werde jedoch Abhilfe geschaffen, verspricht der Jobcenter-Chef. Er habe sich mit dem Fall vertraut gemacht und spricht davon, dass hier noch einmal die Möglichkeiten der Unterstützung geprüft werden müssten. „Das Ermessen des Jobcenters ist nicht ausgereizt“, stellt er fest. Tatsächlich hat Alexander Winterfeld wenige Tage später Post in seinem Briefkasten. „Das Jobcenter hat dem Widerspruch stattgegeben, wir haben Anspruch auf das volle Darlehen“, sagt er der MZ.
Fahrgeld wird ersetzt
Das ändert aber nichts an der Misere, in der die kleine Familie noch immer steckt. Winterfelds Ehefrau bekommt weiter keinen Cent Hartz IV und Wohngeld vom Jobcenter. Lediglich das Fahrgeld zu Ausbildung und Praktikum, jetzt in Schönebeck, ersetzt ihr der Salzlandkreis.
Alexander Winterfeld muss deshalb jeden Tag aufs Neue rechnen. Nach dem Abzug der Raten, die er ans Jobcenter zurückzahlen muss, bleiben den Winterfelds 370 Euro. Geld, das jeden Monat als Hartz-IV-Leistung vom Jobcenter für Alexander Winterfeld und seine Tochter überwiesen wird.
Doch es könnte für Alexander Winterfeld wieder bergauf gehen. Gerade hat er einen Job über den Bundesfreiwilligendienst bekommen, wie er sagt. Er arbeitet bei der Bernburger Tafel, die Bedürftige unter anderem mit Lebensmitteln versorgt, die im Wirtschaftskreislauf nicht mehr verwendet werden, weil etwa das Verfallsdatum kurz bevor steht oder sie falsch etikettiert sind.
Für seine Arbeit bekommt er auch etwas Geld. Nicht viel. Aber immerhin ein Taschengeld. Und trotz des chronisch leeren Portemonnaies kann der 36-Jährige fast auch ein bisschen sorgenfrei in Richtung Weihnachten blicken. „Wir haben eine Einladung von meiner Mutter. Das entlastet uns sehr.“ (mz)