Seine Frau sagt: "Eine Horrorgeschichte" Ameos-Klinikum Bernburg: 82-jähriger Senior wird untersucht und nach Mitternacht entlassen

Bernburg - Der fragwürdige Umgang mit einem 82-jährigen Notfallpatienten in der Vorwoche in Bernburg nährt Zweifel, ob der Klinik-Betreiber Ameos seinen gesetzlichen Versorgungsauftrag im Salzlandkreis wahrnimmt - auch unabhängig von der aktuellen Grippewelle.
Landrat Markus Bauer (SPD) hatte bereits im November 2017 den schweizerischen Konzern in einem Schreiben aufgefordert, seiner Verpflichtung zur Patientenaufnahme nachzukommen, weil sich in der Kreisverwaltung Meldungen über Probleme gehäuft hätten.
Zuletzt sorgte eine bei der jüngsten Kreistagssitzung bekannt gewordene Irrfahrt eines Rettungswagens mit einem 79-Jährigen an Bord für Betroffenheit. Trotz akuter Beschwerden fand der Senior aus Egeln erst in Staßfurt vorübergehend Aufnahme, weil mehrere Kliniken kein Bett für ihn frei hatten. Der Patient musste in der Folge in Aschersleben wegen Verdachts auf akuten Darmverschluss mehrfach operiert werden.
„Das ist eine Horrorgeschichte“, berichtet die Ehefrau
„Das ist eine Horrorgeschichte“, beschreibt Gisela Knifka die Nacht zum Mittwoch in der vergangenen Woche gegenüber der MZ. Ihrem Ehemann geht es an jenem Abend zunehmend schlechter. Der 82-Jährige, der erst zu Weihnachten wegen einer Lungenentzündung im Krankenhaus lag, ist stark erkältet, hat Fieber und will nichts essen.
„Dann ist er plötzlich vom Stuhl gekippt“, berichtet die Seniorin aus Bernburg.
Sie verständigt die DRK-Schwestern, die den Diabetiker täglich spritzen. Kurze Zeit später steht ein Rettungswagen vor der Tür und bringt den Patienten in die Notaufnahme des Ameos-Klinikums.
Senior mit Pflegegrad 2 wird nach Untersuchung entlassen
Was danach passiert, findet Sohn Manfred Knifka mindestens „sehr seltsam.“ Sein gegen 20 Uhr eingelieferter Vater wird - entgegen aller Erwartungen der Familie - nicht stationär aufgenommen. Stattdessen wird der alte Mann mit Pflegegrad 2 nach einer Untersuchung kurz nach Mitternacht wieder nach Hause geschickt.
Zu dieser Zeit schläft seine Frau bereits tief und fest. Und so hört sie auch nicht das Klingeln der Rettungssanitäter. Diese müssen unverrichteter Dinge mit dem 82-Jährigen zurück ins Klinikum. Ein Bett erhält der kranke Senior dort jedoch weiterhin nicht. Stattdessen stehen gegen 1.15 Uhr Rettungssanitäter und Notarzt erneut vor der Wohnung von Gisela Knifka.
„Die haben wie die Verrückten gegen die Korridortür gekloppt. Ich war total erschrocken und schrie um Hilfe, weil ich zunächst dachte, es wären Einbrecher“, schildert die Bernburgerin die Momente, als sie aus dem Schlaf gerissen wird.
Oberärztin der Notaufnahme bittet Polizei um Amtshilfe
Kurz darauf treffen auch noch Polizeibeamte ein, die um Amtshilfe gebeten wurden. Grund: Weil die Oberärztin der Notaufnahme vermutet hatte, Gisela Knifka sei hilflos, wenn sie mitten in der Nacht die Tür nicht öffnet. Dies geht aus dem Polizeiprotokoll zu diesem Einsatz hervor.
Der währenddessen in der Notaufnahme ausharrende Patient wird nochmals abgeholt und nach Hause gebracht. „Wegen der ganzen Aufregung konnten wir nicht gleich einschlafen“, erzählt Gisela Knifka. Am folgenden Morgen will ihr Mann nicht aufstehen und auch weiterhin nichts essen. „Ihm ging es wirklich nicht besser, deshalb habe ich den Hausarzt geholt.“
Hausarzt weist 82-Jährigen ins Krankenhaus ein
Der Mediziner untersucht den 82-Jährigen und weist ihn ins Bernburger Krankenhaus ein. Diesmal wird er stationär aufgenommen. Weshalb dies nicht schon am Vorabend passierte, diese Antwort ist Ameos der Ehefrau auch auf Nachfrage bislang schuldig geblieben.
Gegenüber der MZ heißt es nur: „Bei dem betroffenen Patienten war eine stationäre Aufnahme zum damaligen Zeitpunkt nicht erforderlich.“ Mit Verweis auf den Datenschutz will das Klinikum keine detaillierteren Auskünfte zu diesem Fall geben.
„Akute medizinische Notfallversorgung gewährleistet”
Und auch weitere Antworten auf MZ-Fragen bleiben vage. „Grundsätzlich ist eine akute medizinische Notfallversorgung der Patienten immer gewährleistet“, beteuert Klinik-Sprecherin Julia Tarlatt. Insbesondere aufgrund der Grippewelle sei die Bettenauslastung derzeit erhöht, auch das Personal bleibe von der Krankheit nicht verschont.
Keine Informationen zu Krankheitsfällen und Auslastung
Konkrete Zahlen zu Mitarbeiterausfällen und Bettenauslastung nennt sie nicht. Abschließend heißt es in der Stellungnahme: „Die zur Verfügung stehenden Kapazitäten werden aber auch durch das Anzeigen eines Versorgungsengpasses und Abmelden anderer Kliniken der Region strapaziert. In diesen Fällen kann es tatsächlich zu einer vollständigen Auslastung der Kapazitäten in unserem Klinikum kommen.“
Gisela Knifkas Ehemann ist nach fünf Tagen im Ameos-Klinikum am Montag wieder nach Hause entlassen worden. Eine genaue Diagnose kennt sie bis heute nicht. (mz)