15 Jahre Homo-Ehe 15 Jahre Homo-Ehe: Schwules Paar aus Bernburg berichtet über eingetragene Partnerschaft

Bernburg - Sie hören amüsiert zu. Für sie ist es eine Geschichte aus einer anderen Zeit. Thomas Krone und Sven Krone-Braun, die sich ganz selbstverständlich als verheiratet bezeichnen, sitzen gut ein Jahr nach ihrer Eheschließung in der gemeinsamen Bernburger Altneubau-Wohnung auf dem Sofa und staunen. Über das, was in der „Mitteldeutschen Zeitung“ vor gerade einmal knapp 15 Jahren gestanden hat.
In einer Reportage ging es seinerzeit um Michael Schwarz und Matthias Raab, ein Paar aus Halle, das wenige Monate, nachdem das Lebenspartnerschaftsgesetz es endlich erlaubt hatte, vor eine Standesbeamtin getreten war und eine amtlich besiegelte gemeinsame Zukunft startete. Damals hieß es bei dem Verwaltungsakt: „Sie sind nun Lebenspartner. Sie dürfen sich“ - Kunstpause - „gegenseitig gratulieren!“
„Sie dürfen Ihren Mann jetzt küssen!“
Da lachen Thomas Krone und Sven Krone-Braun herzhaft, denn so etwas, nein, das gab es bei ihrer Hochzeit (kein Gedanke, dass das nicht das richtige Wort sein könnte) nicht mehr. Da hieß es im Mai 2015: „So, Herr Krone, Sie dürfen Ihren Mann jetzt küssen!“ Und natürlich hat er das auch getan.
Vieles ist anders geworden, 15 Jahre nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes. In jenem Jahr 2001 erregte der SPD-Politiker Klaus Wowereit noch ungeheures Aufsehen, als er bei seiner Kandidatur um das Berliner Oberbürgermeister-Amt den legendären Satz sagte: „Ich bin schwul - und das ist auch gut so!“
Vor 15 Jahren wollten Michael Schwarz und Thomas Raab nicht ihre wirklichen Namen in der „Mitteldeutschen Zeitung“ lesen. Ebenso konnten sich beide ein Foto nicht vorstellen, obwohl auch sie damals schon offen mit ihrem Anderssein umgingen und immerhin beide beruflich im Kundendienst tätig waren.
Doch die Offenheit gegenüber ihrem Lebensmodell sei heute eine andere, meint das Paar Krone-Braun. Vor allem der 53-jährige Thomas Krone kann sich noch an Zeiten erinnern, als das nicht so war. „In meiner Kindheit wurde über Homosexualität gar nicht gesprochen“, erzählt er.
„In der Öffentlichkeit geoutet habe ich mich erst im Alter von 27 Jahren.“ Da hatte er auf Druck von außen auch schon eine kurze Ehe mit einer Frau hinter sich. Nicht so zu sein wie andere, das bereitete ihm Probleme.
Partnersuche per Annonce
„Ich dachte immer, ich bin der Einzige“, blickt er zurück auf seine Schulzeit. „Nach Jahren stellte sich bei Klassentreffen aber heraus, dass wir drei in der Klasse waren.“ Erst spät konnte er zu sich selbst stehen.
„Dann jedoch richtig“, sagt er mit einem Augenzwinkern, denn einen Partner suchte er öffentlich per Annonce, und das sogar schon bevor das Lebenspartnerschaftsgesetz erlassen war. 35 war er damals, 17 Zuschriften kamen. Darunter die von Sven Braun, seinerzeit gerade 23 Jahre alt.
„Eine billige Postkarte mit drei Sätzen“, scherzt der Ältere. „Alter, Größe, Gewicht - reicht doch“, flachst sein jüngerer Partner. Aber sie hatte etwas, diese Postkarte, und so folgte Thomas Krone dem Rat eines Bekannten: „Dem würde ich antworten.“ Er antwortete und nach kurzer Zeit zogen beide zusammen.
Jeder in ihrem Umfeld wusste, wie es um sie stand. Thomas Krone arbeitete in der Hotellerie, Sven Braun in einem Friseursalon. So ist es bis heute. Sven Krone-Braun kann Vorbehalte und Ablehnung, die früher Schwulen und Lesben gegenüber an der Tagesordnung waren, kaum nachvollziehen.
In seinem Leben kam das nicht vor, versichert er. Seine Lebenspartnerschaft besiegelte das Paar in Bernburg, die Hochzeitsfeier fand in der Nähe von Franzensbad in Böhmen statt. Auf die Frage, ob ihnen ihre Firmen Sonderurlaub für den großen Tag gewährten, reagieren beide verdutzt. Klar gab es freie Tage.
Auch das war vor 15 Jahren noch anders. Damals hieß es im MZ-Beitrag, dass die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft zwar mit den Pflichten, aber nicht mit den Rechten einer Ehe mithalten könne. Das hat sich geändert.
Diskriminierung Homosexueller immer noch Thema
Die DDR war Homosexuellen gegenüber vom Gesetz her deutlich liberaler aufgestellt als die alte Bundesrepublik. Akzeptanz oder Gleichberechtigung gab es zwar nicht, aber wenigstens eine staatliche Duldung, zugleich aber auch in vielen Fällen eine misstrauische Beobachtung Betroffener.
Die Verschärfungen der Nationalsozialisten im Paragraph 175, der sexuelle Handlungen unter Männern bestrafte, wurden in der DDR bereits 1950 wieder entfernt. Ganz gestrichen wurde er 1988.
Schon ab 1968 schützte eine modifizierte Fassung nur noch Jugendliche. In der BRD blieb er bis 1994 in Kraft, nachdem er Ende der 60er Jahre reformiert worden war.
Nach der Wiedervereinigung galt im Beitrittsgebiet das Bundes-Strafgesetzbuch, unter anderen war auch der Paragraph 175 ausgesetzt. Eine Rehabilitierung der nach diesem Paragraphen Verurteilten steht allerdings bis heute aus.
Steuer- und Erbrecht wurden mittlerweile bis hin zu Ehegattensplitting und Freibeträgen angepasst, gleichgeschlechtlich Verpartnerte erhalten Witwen- oder Witwerrente. Der letzte Bereich, in dem eine völlige Gleichstellung zur Ehe oder zu heterosexuellen Partnerschaften noch nicht existiert, ist das Adoptionsrecht.
„Und wir dürfen kein Blut spenden“, merkt Thomas Krone an, das empfindet er als Diskriminierung. Vielleicht wird es auch hier noch eine Änderung geben. Für das Adoptionsrecht lässt sie sich auch ohne prophetische Gaben voraussagen. Wobei das für sie nicht relevant sei, befinden die beiden Männer.
Eine Selbstverständlichkeit, die ihnen widerfuhr, blieb ihnen tief im Gedächtnis: Ihre Hochzeitsreise führte sie nach Portugal, und nachdem einer von beiden eines Tages auf seinen „Bruder“ angesprochen worden war, sagten sie frei heraus, dass sie „Flitterwöchner“ sind.
Sie wurden nicht anders mit Gratulationen überhäuft und beglückwünscht als das bei frisch vermähltem Mann und Frau der Fall gewesen wäre. Das hat sie gefreut, ebenso, wie beim Foto-Wettbewerb des „Wochenspiegels“ um das „Brautpaar des Jahres 2015“ immerhin den zweiten Platz belegt zu haben.
„Schwul“ - ein gängiges Schimpfwort
Also rundum Glück, nichts Negatives? In jüngster Vergangenheit wird trotz der gleichberechtigten Gesetzeslage in Deutschland wieder verstärkt Stimmung gemacht gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften. In vielen Ländern der Welt sind sie gar ein Risiko für Leib und Leben. Und „schwul“ ist zum gängigen Schimpfwort geworden.
Das störe sie nicht besonders, meinen beide. „Es wird doch heute völlig anders benutzt“, sagt Sven Krone-Braun, „gar nicht so sehr als Schimpfwort gegen uns, sondern generell als negativer Ausdruck gegenüber allen möglichen Dingen, die jemandem nicht gefallen.“ Dass sie in Deutschland ohne Verfolgung leben können, schätzen sie jedoch sehr und wissen um den langen Kampf um diese Tatsache.
Matthias Raab und Michael Schwarz aus der MZ-Reportage von 2002 leben heute nicht mehr in Halle, sind nur noch gelegentlich hier. Die Arbeit verschlug sie an den Bodensee.
Im Herbst können sie 15. Hochzeitstag feiern. „Ach, das ist gar nicht wichtig“, sagt Matthias Raab, „wir zählen das anders, sind schon über 20 Jahre zusammen.“ Das sind auch Thomas Krone und Sven Krone-Braun, die erst ihren 1. Hochzeitstag hinter sich haben. Mögen viele hinzukommen! (mz)