1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Zwei Kabaretturgesteine öffnen ihre Privatarchive

Zwei Kabaretturgesteine öffnen ihre Privatarchive

Von KATHARINA BACHMANN UND SUSANNE THON 27.10.2009, 16:04

ASCHERSLEBEN/MZ. - In Deutschland wird seit 106 Jahren Kabarettgeschichte geschrieben. "Und diese Tradition wollen wir aufrechterhalten", unterstreicht Henry Pucklitzsch. Nicht nur auf der Bühne, auch "dahinter". Und so haben die beiden Kabarettisten ihre Privatarchive geöffnet und mit ihrem Wissen und ihren Erinnerungen dazu beigetragen, dass eine Ausstellung entstehen konnte, die die Geschichte des Magdeburger Kabaretts von 1945 bis zur Gegenwart dokumentiert.

Die am Montag im Ascherslebener Bestehornhaus von Olaf Kirmis, dem Vorsitzenden der Bundesvereinigung Kabarett, eröffnete Schau bildet den Rahmen für das am 6. und 7. November zum fünften Mal in Aschersleben stattfindende Kabarettfestival. Über zwei Jahre waren 13 Germanistikstudenten der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg damit beschäftigt, Material zusammenzutragen und entsprechend aufzuarbeiten.

Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: Auf Tafeln werden die einzelnen Kabaretts wie (zeitweiligen) Solokünstler vorgestellt - von Jung bis Alt. Angefangen von Kinderkabaretts wie den "Reizzwecken", die von Lehrern gegründet wurden, über Studentenformationen wie dem "Prolästerrat" und sogar Betriebskabaretts wie "Die Kritiküßchen" bis hin zu Berufskabaretts, an deren Anfang die "Kugelblitze" stehen. Eine besondere Kabarettgruppe entstand zum Beispiel auch an einem Gymnasium in Magdeburg: Schüler gründeten mit der Unterstützung von Günter Kulbe und ihren Lehrern ein Schülerkabarett, das auf satirische Art und Weise über die alltäglichen Probleme eines jeden Schülers herzieht. Auch eine zweite Gruppe wurde gegründet, doch auch nachdem beide das Abitur geschrieben hatten, konnte diese "Tradition" nicht einfach aufgegeben werden, so dass das Kabarett immer weitergeführt wurde. 56 Gruppen an der Zahl sind es, mit denen sich die Studenten auseinandergesetzt haben. Mit Hilfe ihrer Professoren, fachkundiger Referenten und natürlich der beiden Zeitzeugen Kulbe und Pucklitzsch, seit 1958 und 1961, also eigentlich fast ein ganzes Leben lang, verwoben mit dem Kabarett. Pucklitzsch erhielt erst im vergangenen Jahr den Kleinkunstpreis des Kabarettfestivals, auch als "Doppelzicke", bekannt.

Zum ersten Mal wurde die komplette Ausstellung mit Bildern, Texten, Film-, Tondokumenten und anderen Materialien - in Aschersleben sind "nur" 16 Tafeln zu sehen - im Literaturhaus in Magdeburg gezeigt. Nach dem 14. November - so lange ist die Schau im Bestehornhaus ausgestellt - kommt sie ins Magdeburger Stadtarchiv.

"Das, was hier zum Magdeburger Kabarett gesammelt wurde, ist Kulturgeschichte. Man kann ein ganzes Genre nicht unter den Tisch kehren. Magdeburg ist wohl die einzige Stadt, die eine solche Übersicht aller Kabaretts von 1945 bis heute hat", sind Pucklitzsch und Kulbe stolz. "Vieles ist so erhalten geblieben, was sonst womöglich verloren gegangen wäre", wissen sie ob der Bedeutung dieser Schau für die Kleinkunst. Und so staunten auch Kulbe und Pucklitzsch nicht schlecht angesichts manchen ausgegrabenen Schatzes: "Wir haben zum Beispiel noch originale Programmhefte, Einladungen zur Premiere und eine handschriftliche Mitschrift gefunden", erzählt Pucklitzsch vom Kabarett "Rat der Spötter", deren Aufführungen verboten und Mitglieder inhaftiert wurden. Eine echte Rarität also. Natürlich soll das Kabarett auch jungen Leute mit der Ausstellung nähergebracht werden, denn "die Spezifik des politisch-satirischen Kabaretts darf nicht verloren gehen", so Pucklitzsch.