Zoo Aschersleben Zoo Aschersleben: Rückkehr nach Tigerattacke
ASCHERSLEBEN/MZ. - 7 Uhr. Dienstbeginn. Besprechung. Sicherheitsrunde. Die Tierpfleger säubern die Anlagen, versorgen die Tiger, die Bären, die Hyänen, die Panther. Mittendrin Linda Gruhn. Die 30-Jährige ist zurück in "ihrem" Revier bei den Raubkatzen und unheimlich froh darüber. Seit dem 7. Juni und nach einer sechswöchigen Wiedereingliederungsmaßnahme arbeitet sie erneut ganztags im Ascherslebener Zoo Auf der Alten Burg. Nichts im Auftreten der glücklich und unbeschwert wirkenden jungen Frau erinnert mehr an die Tiger-Beißattacke vom 19. Dezember letzten Jahres.
An diesem Tag hatte sie der Weiße Tiger Karim von hinten angefallen, sie meterweit ins Außengehege gezerrt und erst von ihr abgelassen, als es dem stellvertretenden Zooleiter Jörgen Kallas gelang, den Tiger abzulenken. Schwer verletzt mit Lenden- und Halswirbelbrüchen ist Gruhn damals in die Magdeburger Universitätsklinik eingeliefert worden. Der tragische Unfall, verursacht durch einen nicht verschlossenen Schieber, war ein Schock für alle. In erster Linie für sie selbst, ihre Familie und Freunde und die Mitarbeiter des Zoos, aber auch die Öffentlichkeit.
Umso bemerkenswerter ist die Einstellung Gruhns, die sich von dem Vorfall nicht hat einschüchtern oder entmutigen lassen. "Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich zurückkommen will. Meine Angst war, dass ich es nicht darf", so Gruhn: "Ich habe ja Mist gebaut." Doch Zooleiter Dietmar Reisky zerstreute ihre Bedenken. Auch der Gedanke, ob sie jemals wieder gesundheitlich in der Lage sein würde, als Tierpflegerin zu arbeiten, beschäftigte sie: "Ich musste einfach abwarten."
Eine Zeit lang habe Gruhn kaum laufen können, Schwierigkeiten gehabt, länger als zehn Minuten zu stehen. Aber das ist Geschichte. Lediglich ihren rechten Daumen kann sie nicht einknicken, ein Nerv ist kaputt. "Ich hatte einfach ein Schweineglück", weiß die Tierpflegerin. "Es ist schon erstaunlich zu sehen, wie schnell sie wieder Fuß gefasst und alles verkraftet hat", meint Reisky.
Oft wird Gruhn auf ihre mutige Entscheidung, die Arbeit wieder aufzunehmen, angesprochen. Doch für sie war es selbstverständlich, nicht aufzugeben. "Mit fünf Jahren habe ich beschlossen, Tierpflegerin zu werden. Das ist mein Traumberuf", sagt die gebürtige Cottbuserin. Nach dem Abitur verwirklichte sie ihren Traum, machte eine Ausbildung in Stralsund, arbeitete dann in Gettorf und Aachen, ehe sie 2008 nach Aschersleben und zu den Tigern kam.
Unverändert ist ihr Verhältnis zu den Raubkatzen nach ihrer Rückkehr. "Es ist, als ob ich nur lange im Urlaub gewesen und jetzt wieder da bin. Die Tiere kennen und begrüßen mich", erzählt sie. Stempeln andere Karim als "wilde Bestie" ab, ärgert sie das sehr: "Es war mein Fehler und nicht der des Tigers. Karim wollte mich nicht töten." Sie hat kein Problem damit, ihm wieder das Futter zu reichen.