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Unternehmer-Sorgen Unternehmer-Sorgen: Was tun bei «Schweinepreise»

Von Stephan Neef 12.04.2002, 14:45

Thale/Warnstedt/MZ. - Am 1. September 1995 begründete Krykalla seine im Landkreis Quedlinburg einmalige Fleischerei. "St. Hubertus - Wildspezialitäten" taufte der Quedlinburger sein kleines Unternehmen, das eine gar nicht so kleine Marktlücke füllte. Geeignete Räume fand Krykalla in Warnstedt, als Untermieter der Agrargenossenschaft. Das Geschäft "läuft", gesteht er der MZ. Allerdings müsse "man sich kümmern". Und weil er sich ständig um Nachschub und Absatz kümmert, seinen Aktionsradius inzwischen bis Altmark und Letzlinger Heide, Hakel und Trautenstein ausgedehnt hat und mehrere Bundesländer beliefert, landen im Wochendurchschnitt 80 bis 100 Stück Rehwild und 30 bis 40 Stück Schwarzwild in Krykallas Kühlzellen. In "guten Wochen" sei es sogar das Doppelte. Deshalb will Krykalla umziehen.

Ein kostenaufwändiger Neubau wäre nicht nötig, weil unweit der jetzigen Fleischerei-Räume die einstige Konsum-Kaufhalle vor sich hin gammelt. Lage und Größe sind optimal, der bauliche Zustand sei dagegen miserabel, gesteht Krykalla. Er würde trotzdem zugreifen, wenn der Kaufpreis akzeptabel wäre. Auch Bürgermeister Günther Freist würde diese Nutzungsvariante von ganzem Herzen begrüßen, wie er in der jüngsten Gemeinderatssitzung betonte. Schließlich sei die Markthalle zum Schrotthaufen verkommen, der täglich unansehnlicher werde.

Doch die Konsumgenossenschaft als Ex-Eigentümerin befindet sich in Liquidation. Die Halle gehört den Gläubigern, namentlich der Dresdener Bank. "Und Banken wollen viel haben und den Preis nicht reduzieren", erfährt die MZ von einem Insider, der den Liquidator bei seiner Arbeit "begleitet". Krykalla werde den Preis, der weiterhin gefordert wird, nicht zahlen können. Zudem müsse er die Entsorgung des verbauten Asbest finanzieren und den Bau sanieren, das schlage sich in der Kosten-Nutzen-Rechnung nieder. "Da wird die Soße teurer als der Braten", ahnt Krykalla. Warum die Bank jede Preisminderung ablehnt und das Objekt lieber verfallen lässt, ist nicht nur für den Fleischermeister unbegreiflich. "Ich kann nicht so lange warten, bis alles zusammenfällt", steht für ihn fest. Einzige Alternative: Ein Neubau im Gewerbegebiet Thale/ Nord.

Doch nicht nur die "Schweinepreise" privater Banken machen ihm zu schaffen, gesteht Krykalla. Auch die (Preis-)Politik des Landkreises sei inzwischen existenzbedrohend. Für die tierärztliche Begutachtung des Fleisches zahle er seit Januar 2002 zum Teil das Doppelte, eine Begründung fehlt bis heute. Kostete die Untersuchung eines Stücks Schwarzwild bisher 12,50 Mark, müsse er nun 9,50 Euro berappen. Beim Rehwild sei die Gebühr mit der Euro-Einführung 1:1 umgerechnet worden - statt 6,50 Mark sind nun 6,50 Euro fällig. Dabei brauche der Tierarzt nur etwa 30 Sekunden für ein Stück Wild. Wenn 100 Stück anfallen, seien in einer Stunde vielleicht 700 Euro abkassiert. In Chemnitz seien zum Teil nur 1,50 Euro fällig, an der Ostsee noch weniger, hat Krykalla erfahren. "Das ist Wettbewerbsverzerrung." Schließlich könnte die Konkurrenz das Fleisch dann günstiger anbieten.

Der zuständige Tierarzt verweist gegenüber der MZ auf das Veterinäramt und darauf, dass Krykalla "die Arbeit hinter den Kulissen" übersehe. Und das Amt verweigert eine Stellungnahme, weil Krykalla Einspruch erhob und das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei.

"Wenn einem Bauern die Kuh verreckt, bezahlt der Landkreis die Entsorgung", nennt der Fleischer ein anderes Problem. Er müsse dagegen je 240-Liter-Abfall-Tonne 30 Euro berappen, zuzüglich Anfahrtpauschale. Manchmal stünden zwölf bis 15 volle Tonnen auf dem Hof. Und so muss er beim Personal sparen. Nur ein Mitarbeiter ist fest angestellt, bei Bedarf versechsfacht sich - mit Arbeitsamtshilfe - die Belegschaft. "Ab 1. Mai geht''s wieder voll los", kündigt Holger Krykalla an.