Überblick im Prüfungsstress
Quedlinburg/MZ. - Als der Tischlermeister 1990 die Kreishandwerkerschaft mitgründete, mussten die mit der deutschen Einheit übernommenen Prüfungsordnungen für die Berufsausbildung mit Leben erfüllt werden. Gesellenprüfungskommissionen galt es zu besetzen. Bremert wurde Mitglied des Prüfungsgremiums seiner Innung. Über einen Kontakt, den er als Feuerwehrmann nach Celle hatte, lernte er einen anderen Tischlermeister kennen, der dort in der Prüfungskommission saß und ihm mit Unterlagen über den Ablauf einer solchen Prüfung half. "Es war alles neu und die Durchführungsbestimmungen fehlten", erinnert er sich an die Not der Gründer und die Freude über den Anknüpfungspunkt in Celle.
Friedrich Bremert saß auch schon zur DDR-Zeit in den Prüfungskommissionen und er kann sich noch gut daran erinnern, wie mancher Lehrling "durchgeschleift" wurde, damit wenigstens 90 Prozent am Ende bestanden hatten. "In der DDR wurden Abstriche gemacht. Heute stehen Wissen und Können im Vordergrund." Doch auch heute ist es damit oft nicht sehr weit her, musste er feststellen. Nur rund 60 Prozent der Auszubildenden bestehen die theoretischen Prüfungen sofort. Die anderen benötigen nach jeweils sechs Monaten einen zweiten oder dritten Anlauf.
"Es hapert an der Allgemeinbildung", hat Bremert erkannt. Vielen sei leider die Freundin oder die Disco wichtiger als die Ausbildung. Aus Perspektivlosigkeit in der Region folgt zudem oft eine Gleichgültigkeit, die sich negativ auswirkt. Doch wer auch anderenorts arbeiten will, der findet einen Job. Viele Gesellen arbeiten heute in Österreich, berichtet Bremert. Inzwischen hat der Tischlermeister für die Innung "Harzland" 3 885 Prüfungen abgenommen. Das sind nicht nur Gesellenprüfungen, sondern auch Zwischenprüfungen. Die hohe Zahl erklärt er mit vielen Umschülern, die von 1990 bis 1996 mit geprüft werden mussten. Normal sind 35 bis 40 Gesellenprüfungen im Jahr. In diesem Jahr ist mit 23 zugelassenen Tischlerlehrlingen der absolute Tiefpunkt erreicht. "Die Ausbildung ist zu teuer geworden", sagt er. Früher wurden die Ausbildungsbetriebe finanziell unterstützt. Nun kann kaum eine Firma einen Lehrling ausbilden. Unter den 23 Prüflingen sind gerade einmal zwei, die in einem Betrieb gelernt haben. Die anderen waren in einer überbetrieblichen Ausbildung.
Der Gesellenprüfungskommission der Tischlerinnung "Harzland" gehören eine Berufsschullehrerin, zwei Altgesellen und vier Tischlermeister an. Als Prüfungskommissionsvorsitzender hat Bremert die meiste Arbeit. Berichtsnachweise müssen kontrolliert, Zeichnungen für die nach eigenen Vorstellungen anzufertigenden Gesellenstücke geprüft und Terminabsprachen getroffen werden. Bei den sechs bis sieben Stunden dauernden Arbeitsproben, die neben der theoretischen Prüfung und dem Bau des Gesellenstückes Bestandteil der Prüfungen sind, muss die Prüfungskommission zu den Ausbildungsstätten fahren. Der Zeitaufwand für das Ehrenamt ist enorm. "Deshalb findet sich ja kein selbständiger Meister mehr, der das übernehmen will", bedauert Bremert.
Der Tischlermeister arbeitet allerdings nicht nur für die Kreishandwerkerschaft ehrenamtlich. Bis zu seinem 65. Geburtstag fuhr Friedrich Bremert als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Quedlinburg zu Einsätzen. Außerdem ist er einer der drei dienstältesten Quedlinburger Stadträte. Die ehrenamtliche Arbeit für die Stadt liegt ihm sehr am Herzen. "Aber man kann nicht allen gerecht werden", hat er lernen müssen. Lange Zeit war der CDU-Stadtrat stellvertretender Vorsitzender des Bauausschusses. Heute ist er Vorsitzender des Wirtschafts-, Liegenschafts- und Vergabeausschusses. Und quasi als Hobby hat er ein Archiv mit Fotos von Quedlinburger Häusern angelegt.
Als großen Erfolg in seiner Funktion als Chef der Prüfungskommission kann sich Friedrich Bremert die Einführung des Freihobelns auf die Fahne schreiben. Die Tradition wurde von ihm aus einem 50-jährigen Dornröschenschlaf wiederbelebt. Bevor die Gesellenbriefe nach allen bestandenen Prüfungen ausgehändigt werden, müssen die jungen Tischler seit 1997 mit einem langen Hobel, einer so genannten Raubank, von einem 50 Zentimeter langen Kantholz mindestens drei volle Späne abhobeln, erklärt er das Ritual. Friedrich Bremert wird sicher noch einige Jahre die Prüfungen abnehmen. Zumindest so lange, wie es seine Gesundheit zulässt.