Schlossmuseum Quedlinburg Schlossmuseum Quedlinburg: Christliche und heidnische Motive im Stein
Quedlinburg/MZ. - Er lag im sprichwörtlichen Dunkel der Geschichte - im Keller des Quedlinburger Schlossmuseums. Ein Sandstein, lädiert und verstaubt. Nicht irgend einer, sondern ein Grabstein mit bildlichen Darstellungen, etwa 1 300 Jahre alt. Und davon gibt es im norddeutschen Raum nur etwas mehr als ein Dutzend Exemplare.
"Diese sind sehr selten erhalten", sagt Babette Ludowici. Der Quedlinburger Archäologin ist es zu verdanken, dass der Stein aus dem Magazin auftauchte und nun ins Museumslicht gerückt wird.
Ludowici arbeitete an einem Aufsatz über frühmittelalterliche Bildsteine, wie Grab- und Denkmäler, als sie in einem Artikel von 1934 auf den entscheidenden Hinweis stieß: In einer Fußnote war von einem Grabstein aus der Wüstung Marsleben bei Quedlinburg die Rede, der im Schlossmuseum lagern soll, allerdings ohne Beschreibung und Abbildung. "Das Ding muss doch noch da sein", dachte sich die Archäologin und machte sich auf die Suche. "Er war tatsächlich kartiert und nach einer halben Stunde gefunden", erzählt Ludowici, "ganz unspektakulär." Und doch etwas ganz Besonderes, zumal er offenbar christliche und heidnische Darstellungsformen vereint. Auf dem Sandstein ist ein großes Kreuz eingeritzt, in dessen beiden unteren Feldern zwei spiralförmige Kreise zu sehen sind. Dabei könnte es sich um Teile einer Darstellung im germanischen Tierstil handeln. Der Stein wird zudem von einem Flechtband umrahmt.
Im siebenten Jahrhundert war der Harz noch Siedlungsgebiet der heidnischen Sachsen. Die Zerrissenheit im Glauben, die erst mit den Sachsenkriegen Karls des Große im achten und neunten Jahrhundert und dem Sieg des Christentums endete, könnte so Ausdruck auf dem Stein gefunden haben. "Das ist für diese Zeit ganz normal." Leider fehlt ein beachtliches Stück am Rand des etwa 30 mal 40 Zentimeter großen Bildes.
Unabhängig davon: "In dieser Zeit sind Darstellungen von christlichen Motiven noch sehr selten", sagt Ludowici. Stammt der Stein, wie vermutet, tatsächlich aus dem siebenten Jahrhundert, würde er neben der berühmten Goldscheibenfibel aus Groß Orden zu den ältesten Zeugnissen christlichen Glaubens im Raum Quedlinburg gehören. Nicht nur bei Babette Ludowici, sondern auch beim Direktor des Schlossmuseums, Christian Mühldorfer-Vogt, sorgt der neue, alte Fund daher für helle Begeisterung: "Ganz klar, dass der gezeigt werden muss." Ein weiterer Zufall will es nun, dass in den Ausstellungsräumen, die die Völkerwanderungszeit widerspiegeln und jenen, die das frühe Mittelalter zeigen, eine Nische klafft. Und zwar im doppelten Sinne. Zum einen eine geschichtliche Lücke, die der Grabstein ab Dezember füllt. Aber auch baulich ist im Übergang zwischen beiden Räumen eine kleine Nische, "in die der Stein passt, als hätten wir ihn im Kaufhaus bestellt", sagt Mühldorfer-Vogt.