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Sanierungsarbeiten in Nachterstedt Sanierungsarbeiten in Nachterstedt: Rütteln und stopfen am Concordiasee

Von Kerstin Beier 22.12.2015, 17:16
Das verdrängte Material wird mit grobkörnigem Schotter aufgefüllt.
Das verdrängte Material wird mit grobkörnigem Schotter aufgefüllt. Frank Gehrmann Lizenz

Nachterstedt - Wissen Sie, was eine Rüttelstopfverdichtung ist? Wenn Sie nicht gerade Bergmann oder Bergbausanierer sind, wahrscheinlich nicht. Für Mathias Siebert von der LMBV und Steffen Höppner von der TDE Mitteldeutsche Bergbau Service GmbH dagegen dreht sich in diesen Monaten am Concordiasee Nachterstedt alles um dieses Verfahren. Mit dessen Hilfe sollen locker gelagerte Sande im Untergrund verdichtet und das Bodengerüst des ehemaligen Tagebaus stabilisiert werden. Die aufwendigen Sanierungsarbeiten an den Böschungen des Restlochs haben im März begonnen und sollen bis 2017 eine Teilfreigabe des Sees möglich machen.

Zutritt noch immer verwährt

Auch sechseinhalb Jahre nach der Katastrophe von Nachterstedt, die drei Menschen das Leben gekostet und 41 Menschen ihr Zuhause genommen hat, wird Sicherheit ganz groß geschrieben. Eine Schranke in Nachterstedt verwehrt noch immer den Zutritt zum überwachten Gelände, ohne Genehmigung geht hier gar nichts.

Kleinste Risse und Bewegungen werden sofort gemeldet

Deshalb freuen wir uns, dass die Bitte der MZ erfüllt wird, einmal einen Blick ins Fahrerhaus einer der großen Baumaschinen zu werfen. Die Fachleute nennen die riesigen Kräne Trägergeräte, was uns wie eine Untertreibung vorkommt. Doch ehe wir gemeinsam mit Mathias Siebert und Steffen Höppner zum Ort des Geschehens fahren können, steht eine Sicherheitsunterweisung an.

Ein Dispatcher in einem der Baucontainer steht in Funkkontakt mit allen, die im Rutschungskessel unterwegs sind und weiß zu jeder Zeit, wer sich wo befindet. Höppner verweist auf die Erfahrung seiner Kollegen, die aus der Lausitz kommen und die Gefahren bei Bergbausanierungsarbeiten kennen. „Die Leute haben gelernt, damit umzugehen“, so Steffen Höppner. Nicht umsonst gehört zu jedem vierköpfigen Arbeitsteam an einem Trägergerät auch ein Rissbeobachter, der die unmittelbare Umgebung der Arbeitsmaschinen im Auge behält und kleinste Bewegungen und Risse sofort meldet; Böschungssachverständige begleiten die Arbeiten.

Sicherheit ist das A und O

Zurzeit sind drei Trägergeräte im Einsatz. Die Ausleger der großen Seilbagger sind gewaltige 50 Meter lang. An deren Ende hängt eine sogenannte Lanze, 25 Meter lang und 15 Tonnen schwer. Diese wird mittels Eigengewicht und Rüttelbewegungen bis zu 22 Meter tief in den Boden getrieben. Die Lanze verdrängt das Material, und um den Hohlraum aufzufüllen, bringt ein Radlader grobkörnigen Schotter und füllt es über einen Trichter in die Lanze. Auch hier ist Sicherheit wieder das A und O. Und so bildet der Radlader eine Einheit mit einer Raupe. Beide Fahrzeuge sind per Stahlseil miteinander verbunden. Das Schottermaterial kommt aus Hoym, Westdorf und Rieder. Um die Transportbelastungen für die umliegenden Gemeinden so gering wie möglich zu halten, hat die LMBV vor Beginn der Arbeiten ein innerbetriebliches Wegesystem angelegt, erklärt Mathias Siebert.

Einer der Männer, die den Vorgang vom Fahrerhaus des 400 Tonnen schweren Krans aus steuern, ist Maik Vogelsang-Hoßmor. Vor ihm ein für den Laien undurchschaubares Paneel mit Knöpfen und Schaltern zur Gerätesteuerung. Während er den Joystick neben dem Sitz bedient, wandert der Blick des 40-Jährigen ständig zwischen dem Geschehen vor seinem Fenster und mehreren Displays hin und her. Nach einer Weile fällt auf: Der Mann hat es in seinem Fahrerhaus auch im Winter warm. Ein Vorteil gegenüber den Kollegen, die draußen arbeiten. Wie die Rissbeobachterin zum Beispiel, die sich mit zugezogener Kapuze, wattierter Jacke und dicken Stiefeln vor dem scharfen Wind zu schützen versucht. Doch der Vorteil wird kleiner, wenn am Gerät gewartet und repariert werden muss. Denn soweit es geht, gehört auch das zu den Aufgaben des Gerätefahrers. „Wenn die Lanze verstopft ist, sorgt das nicht gerade für Begeisterung“, erklärt er lächelnd eine der eher ungeliebten Aufgaben. Und das Klemmbrett mit Stift und Zettel auf der Ablage? Das dient der Handaufzeichnung. Alle Bewegungen des Gerätes müssen neben der elektronischen Dokumentation auch noch per Hand festgehalten werden.

Mehr als 3.000 Löcher im Boden

Die Löcher, die die Lanze in den Boden treibt, werden jeweils in einem Abstand von vier Metern in den Boden gebracht. Mehr als 3 000 Löcher sind hergestellt. In einem einzigen wird so viel Material versenkt, wie ein Sattelzug fassen kann.

Solange der Winter auf sich warten lässt, wird am Concordiasee weitergearbeitet. „Eine Winterunterbrechung ist erst vorgesehen, wenn es erhebliche Nachtfröste gibt“, sagt Mathias Siebert und meldet sich und uns beim Dispatcher zurück. (mz)

Die Lanze am Trägergerät schiebt sich per Eigengewicht und Rüttelbewegungen 22 Meter tief in den Boden.
Die Lanze am Trägergerät schiebt sich per Eigengewicht und Rüttelbewegungen 22 Meter tief in den Boden.
Frank Gehrmann Lizenz