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Richtungswechsel hat sich gelohnt

Von Rita Kunze 11.01.2005, 16:53

Allrode/MZ. - Die Fotografie erinnert an eine Zeit, seit der sich vieles geändert hat in Allrode. Und in der doch einiges gleich geblieben ist.

Um die Mittagszeit ist das Dorf auch heute noch menschenleer. Und das ist positiv: "Die meisten haben Arbeit und sind daher nicht zu Hause", erklärt der Bürgermeister. Sie haben Jobs in Allrode und im Umland. Hinzu kommen Pendler: "Wenn die Firmen hier nur von Allrödern leben müssten, würde es nicht funktionieren."

Das Dorf lebte und lebt vom Wald; hier gibt es seit jeher zwei Tischlereien, hier wird der spezielle "Allröder Langlaufski" hergestellt, und hier gibt es noch immer ein Rückeunternehmen. Doch statt des Holzeinschlags im großen Stil ist es nun der Tourismus, der vielen ein Auskommen beschert. Allrode ist der Ort mit der geringsten Kurtaxe im Landkreis Wernigerode - 60 Cent werden pro Person und Übernachtung verlangt - aber die Einnahmen sind dennoch hoch: Mehr als 70 000 Übernachtungen wurden im vergangenen Jahr im Ort gezählt. Das große Hotel ist ständig ausgebucht. "Es hat seinen Platz gefunden", meint Geschäftsführer Jürgen Schinke. Der Kölner hatte das ehemalige FDGB-Ferienheim 1992 gekauft und das Haus - damals ein Schulungszentrum der AOK - auf Tourismus umgestellt. Zunächst für Busreisen, dann für Wellness- und Sportinteressierte. "Das hat eingeschlagen wie eine Bombe."

Das Dorf ist bunter geworden mit den Jahren. "Wir können stolz sein auf das Gesamtbild", meint Heydecke, denn der Weg dorthin war nicht immer leicht. Zunächst einmal mussten die Allröder entscheiden, wohin sie wollen. "Allrode ist Braunschweig!", habe es nach der Wende geheißen, und der Bürgermeister erinnert sich an die Suche nach Anschluss an den Westen, dem die Allröder schon zu Kaisers Zeiten angehörten. Doch es kam anders. Als kleines Dorf in Sachsen-Anhalt gehörte es nach der Wende schließlich zum Landkreis Quedlinburg. Das war von seinen Einwohnern so gewollt: "Es gab eine Unterschriftensammlung, in der sich die Leute gegen einen Anschluss an Wernigerode aussprachen." Bis sie es sich dann doch anders überlegten.

Der Wechsel war gar nicht so übel, meint Heydecke rückblickend. Vor allem beim Straßenbau sei er eher von Vorteil. Da habe sich viel getan, wenngleich es nicht immer ohne Zähneknirschen abgeht. Die Sanierung der Sellstraße ist das größte Projekt im Dorf. Und offenbar auch das langwierigste; die Gemeinde habe das Vorhaben bereits vorprojektiert, denn es drängt. "Der Regenwasserkanal ist uralt, bei kräftigen Schauern spült's die Gullideckel weg und die Keller stehen voll Wasser", meint der Bürgermeister. Doch das Straßenbauamt vertröste die Gemeinde jedes Jahr.

Handfestes schaffen die Allröder selbst, die sich um ihr Dorf kümmern und selbst die Scheunen neu gedeckt haben, wie Heydecke anerkennend feststellt. Und was auch der Rheinländer Jürgen Schinke bemerkt hat: "Schauen Sie sich den Ort an, die Infrastruktur. So sieht kein Ort mit 750 Einwohnern aus." Er schätzt nicht nur die Leistung der Gemeinde, die aus dem "touristisch gar nicht erschlossenen" Dorf ein "Kleinod" für den Fremdenverkehr gemacht hat. Er schätzt auch die gewachsene Dorfgemeinschaft, wenngleich es "Zugehuckte" nicht ganz einfach haben. Aber: "Man kann hier freier leben als in der Stadt."