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Ralf Schmidtke ist Landarzt Ralf Schmidtke ist Landarzt: Höllentempo von Montag bis Freitag

Von Dennis Lotzmann 12.07.2002, 08:05

Schadeleben/MZ. - Was dem Arzt auf der einen Seite nach wie vor gutes Geld einbringt, schlaucht auf der anderen überdurchschnittlich. Schmidtke weiß, dass er dieses Höllentempo nicht ewig wird durchhalten können. Früh ab 7 Uhr in den Praxen stehen, bis zum Abend rund 150 Patienten behandeln, danach immer noch auf Abruf bereit stehen und dabei niemals einen Fehler machen dürfen. "Vor halb eins in der Nacht geh ich nicht ins Bett, weil da immer noch mal jemand anruft", meint der Mediziner trocken.

Woche für Woche, von montags 7 Uhr bis freitags 19 Uhr ist Schmidtke der Doc für seine Patienten. Hinzu kommen noch Bereitschaftsdienste an den Wochenenden. Präsenzpflicht in seiner Region, Hausbesuche, Ratschläge am Telefon für Anwohner rund um Schadeleben, Cochstedt und die angrenzenden Orte. Bei Bedarf rund um die Uhr.

Schmidtke zählt auf, jongliert mit Patientenzahlen und philosophiert über das komplizierte Abrechnungsverfahren mit Punktwerten, Budgets, viel Briefwechsel mit Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung (KV) sowie anderem Bürokram, der ihn vom wirklichen Beruf, seinem Traumberuf, abhält. "Hier stapeln sich schon wieder Briefe von Krankenkassen, die wissen wollen, warum dieser oder jener Versicherte noch krank sei." Schmidtke zeigt auf den Postberg, der umzufallen droht, wird nicht bald gegengesteuert.

"Eigentlich viel Negatives, was da so zusammenkommt", stellt Schmidtke im Verlauf des Gesprächs immer und immer wieder fest. "Schreiben Sie das besser nicht, sonst kommt gleich gar keiner mehr hierher", meint er augenzwinkernd, wohlwissend, dass mit einer Landarzt-Stelle, dazu im Osten, bei Berufsanfängern eh kein Blumentopf zu gewinnen ist.

Doch noch ist Schmidtkes Praxis nicht zu haben. Noch überwiegt bei dem 48-Jährigen die Freude am Traumberuf. "Das wollte ich schon immer machen", bekennt der ehemalige Hallenser, der in der DDR dafür notfalls sogar Berufsoffizier geworden wäre. Doch das Glück war ihm hold. Nach drei Jahren bei der Fahne - im Med-Dienst - studierte Schmidtke in Halle, um dann bis zur Wende in Hedersleben zu praktizieren. Seit 1989 düse er zwischen Cochstedt und Schadeleben umher. "Immer mit der Computerfestplatte unterm Arm", schmunzelt Schmidtke in Anspielung auf das PC-Zeitalter bei den Ärzten.

Dank Computer lässt sich schnell erkennen, wo die Säge klemmt zwischen Ist und Soll. Verordnet Schmidtke seinen Patienten zu viel, ist das Limit schnell erreicht oder gar überschritten. Dann drohen im schlimmsten Fall Regressansprüche der KV. Schmidtke hält sich an dieser Stelle zwar dezent zurück, doch schnell wird klar: Es wird schwieriger, den Spagat zwischen ärztlich Möglichem und wirtschaftlich Vertretbarem zu schaffen.

Die Frage nach dem Budget ist dabei für Mediziner schon fast existenziell. Werde die Richtgröße um mehr als 15 Prozent überschritten, drohe die Rückzahlung. "Erst danach kann ich begründen, warum ich das Limit überschritten habe", zählt Schmidtke die bürokratische Rechtfertigungskette auf.

Auch Schmidtke hat sein Verordnungsvolumen im dritten und vierten Quartal vorigen Jahres bei den Rentnern überzogen. Rein rechnerisch lag er um über 100 Mark über dem Limit von 241,50 Mark pro Patient. "Aber was soll ich machen - da kommt der Patient mit einem Mittel aus der Klinik, das über 100 Euro pro Packung kostet, unter anderem Namen mit gleichem Wirkstoff aber für 16 Euro zu haben ist. Wenn ich das zum vierten Mal am Tag Patienten erklären muss und das Wartezimmer rappelvoll ist, schreibe ich beim fünften Patienten doch das teure Mittel auf", winkt Schmidtke ab. Alltag eines Allgemeinmediziners.

"Es ist eigentlich viel Negatives", bremst Schmidtke sich jetzt wieder selbst. Neulich erst habe er der KV damit gedroht, die Praxen für drei Monate zu schließen. Das Muskelspiel, ausgelöst durch Budgetüberschreitung und abgerechneten Punktwerten, sprich Leistungen, die ebenfalls weit über dem Bemessungsdurchschnitt lagen, hat gewirkt: Schmidtke darf jetzt einen Entlastungsassistenten einstellen.