1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Prozess in Aschersleben: Prozess in Aschersleben: "Da möchte ich nicht wieder rein"

Prozess in Aschersleben Prozess in Aschersleben: "Da möchte ich nicht wieder rein"

Von Uwe Kraus 07.07.2016, 16:38
Zellenfenster einer Justizvollzugsanstalt
Zellenfenster einer Justizvollzugsanstalt dpa

aschersleben - Schmal und verunsichert wirkt Steven (Name von der Redaktion geändert), der neben seinem Anwalt und der Vertreterin der Jugendgerichtshilfe Platz nimmt. Auf den Zuschauerplätzen sitzt auch seine resolut wirkende Mutter.

Die grauhaarige Amtsanwältin wirft dem 21-Jährigen, der gegenwärtig im sozial betreuten Wohnen in Staßfurt lebt, vor, im vergangenen Jahr 50 Straftaten begangen zu haben. In den Monaten Februar bis April soll er so oft Betäubungsmittel erworben haben.

Der Verkäufer, der ihm jeweils ein Gramm Marihuana zu jeweils zehn Euro „vertickt“ hat, wird sich in einem Extraverfahren vor Gericht verantworten müssen. Auch auf die zwei jungen Männer und eine junge Frau, die als „Mitkonsumenten“ das Gras geraucht haben, wartet noch ein Strafverfahren.

Die Frau von der Jugendgerichtshilfe kennt Steven „schon eine ganze Weile“. Nach neun Schuljahren verließ er die Sekundarschule, absolvierte ergebnislos verschiedene berufsbildende Maßnahmen und zog in ein sozial betreutes Wohnprojekt. Sie hat ihn sogar im Jugendstrafvollzug Raßnitz besucht, wo er kürzlich eine zehnmonatige Strafe bis zum letzten Tag absaß.

Kritisch fügt sie an: „Da sah er besser aus als heute.“ Der Angeklagte sagt fast flehentlich: „Da möchte ich nicht wieder rein.“ Richter Michael Schöne zitiert aus dem Strafregister des jungen Mannes: Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, Beleidigung, mehrere Diebstähle, „die übliche Beschaffungskriminalität“.

Die Warnschüsse vor Gericht, so eine Haftstrafe auf Bewährung, zogen nicht, so dass sie vollstreckt werden musste. Offensichtlich war sein Problem weniger der Alkohol als vielmehr die Drogen. „Es war doch für den Eigenbedarf“, rechtfertigt sich Steven. Für seinen Anwalt war es „die Masse, die es macht.

Ohne da was schönzureden, aber jede einzelne Tat wäre ein Bagatelldelikt gewesen.“ Er meint, freiheitsentziehende Maßnahmen seien nicht nötig. Die Jugendgerichtshelferin stellt ein Urteil ins Ermessen des Gerichtes. Jedoch ist für sie klar, Steven muss von seiner Drogenabhängigkeit wegkommen und sich im Gesundheitsamt beraten lassen. Sie rät, ihn als Heranwachsenden nach dem Jugendstrafrecht zu verurteilen - er hat keine Wohnung, keine Ausbildung, kein eigenes Einkommen.

Richter wie Amtsanwältin hoffen, dass die Jugendhaft bei Steven etwas bewegt hat. Seine Marihuana-Käufe lagen vor dem Hafttermin, so dass Richter Schöne ihn zu 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Eine Auflage, eine Drogentherapie zu absolvieren, spricht er aus gutem Grund nicht aus. „Das geht nur über Freiwilligkeit. Wenn Sie es wollen, dann läuft es am besten.“

Stevens Mutter im Publikum sieht man an, dass ihr ein Stein vom Herzen gefallen ist, dass ihr Sohn nicht erneut in die Justizvollzugsanstalt einziehen muss. (mz)