1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. "Handwerker" vor Gericht: Prozess am Amtsgericht Aschersleben: Rumäne wird wegen Erpressung verurteilt

"Handwerker" vor Gericht Prozess am Amtsgericht Aschersleben: Rumäne wird wegen Erpressung verurteilt

Von Detlef Anders 06.10.2018, 07:57

Aschersleben - Ein 45-jähriger Rumäne aus Dortmund ist im Amtsgericht Aschersleben wegen Beteiligung an einem Betrug zu einer Geldstrafe verurteilt worden. In Handschellen von vier Beamten hereingeführt, konnte er das Gericht aber als freier Mann verlassen. Was war passiert?

Handwerker klingeln und bieten an, Haus „schön“ zu machen

Es war einer der schlimmsten Tage im Leben von Rita P. (Name geändert) - ein Tag im Sommer 2017. Ihre Tochter (16) war zur Schule, eine Freundin, die gerade weggefahren war, als ihr Hund anschlug, es an der Haustür klingelte und zwei rumänische „Handwerker“ anboten, ihr Haus „schön“ zu machen.

Das Haus am Rande eines kleinen Ortes im Salzlandkreis - die A 14 nur einen Katzensprung entfernt, war von den Rumänen als sanierungsbedürftig erkannt worden. Die 50-jährige Umschülerin, gerade krank zu Hause, wollte keine Hilfe. Sie hätte die Handwerker nicht bezahlen können, da sie nur ein geringes Einkommen hat.

„Ich wollte sie loswerden“

Doch einer der Rumänen zog sie um das Haus herum, zeigte, was gemacht werden müsste. Und als sie wieder vor dem Haus waren, stand ein zweiter Transporter auf dem Hof. Vier weitere Rumänen, darunter der Angeklagte, hatten Leitern an das Haus gestellt. Sie fingen an, Dachrinnen herunterzureißen.

Rita P. war geschockt. „Ich wollte sie los werden, ich konnte nicht mehr logisch denken“, schilderte sie. Die Rumänen boten an zu gehen, wenn sie was zu Essen kriegen. Rita K. machte Frühstück. Dabei sei sie beobachtet, sei ans Fenster geklopft worden. Vielleicht um einen Anruf bei der Polizei zu verhindern.

Männer boten an, zu gehen, wenn es Frühstück gibt

Rita P. sei gefragt worden, wann die Tochter heimkommt. Sogar die Kleidung und das Aussehen des Mädchens konnten sie beschreiben. Als das Wort „fickificki“ fiel, habe sie „rot“ gesehen, berichtete sie. Sie sei besonders freundlich geworden und hoffte, dass die ungebetenen Gäste schneller gehen. „Ich habe zu allem ,Ja‘ gesagt. Überall wuselten sie herum.“

Panik kam bei ihr auf, als ein Jugendlicher ohne Sicherung am Dach rumturnte. Sie hatte Angst, dass der abstürzt, berichtete sie. „Was wollt ihr, damit ihr geht“, hätte sie den gut Deutsch sprechenden ersten Rumänen gefragt. „8.000 Euro“ war die Antwort. „Sie hätten ja eine handwerkliche Leistung vollbracht.“

Männer forderten 8.000 Euro, man einigte sich auf 350 Euro

Für die Frau war das eher Vandalismus. Geld hatte sie nicht. Die Rumänen wollten Schmuck, auch den gab es nicht. 250 Euro hatte sie im Haus. Das war der Truppe zu wenig. Bei 350 Euro habe sie zugesagt. Um die fehlenden 100 Euro zu besorgen, fuhren sie zur Bank.

Zum Aufpassen wurde ihr der Jugendliche ins Auto gesetzt. Einer der Transporter fuhr nach Bernburg mit. Sie fragte den Jungen, ob er sich nicht schäme. Der verwies auf eine kranke Mutter.

In der Bank hob sie 100 Euro ab, übergab sie dem ersten Rumänen und fuhr los. „Das war mein Monatsgeld“, erklärte sie. „Von dem Tag an habe ich Verfolgungswahn. Ich war kurz vor dem Herzinfarkt.“

Eintreffende Tochter ruft schließlich die Polizei

Ihr Vorgarten sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Als die Tochter kam, rief diese die Polizei. Letztlich reparierte ein Profi-Dachdecker für 800 Euro den Schaden. Als der kam, habe sie sich über die Menge des Baumaterials gewundert, so viel hätten die Rumänen nicht mitgehabt.

Anhand eines DNA-Treffers spürte die Polizei den Angeklagten in Dortmund auf, wo dieser laut Verteidiger vom Kindergeld für seine sechs Kinder sowie Gelegenheitsjobs lebt.

Angeklagter lebte vom Kindergeld und Gelegenheitsjobs

Vor zweieinhalb Monaten war er festgenommen worden. Bei der Polizei hatte Rita P. angegeben, dass ein Rumäne bei den Verhandlungen mit einem Messer gespielt und sie dies als Bedrohung aufgefasst hätte.

Vor Gericht erwähnte Rita P. das Messer nicht. Erst auf Nachfragen, erzählte sie, dass einer der Rumänen, nicht jedoch der Angeklagte, in fünf Meter Abstand mit einem Handwerkermesser herumgespielt hätte, als es ums Geld ging. Damit bedroht wurde sie aber nicht.

Der Angeklagte entschuldigt sich und übergibt 1.400 Euro

Der Verteidiger erklärte, dass es seinem Mandanten sehr leid tue und er sich entschuldigen möchte. Er habe in seiner Familie gesammelt, so der Verteidiger. Der Anwalt übergab 1.400 Euro an die Frau. 800 für die Reparatur, sowie die erpressten 350 als Zeichen der Entschuldigung.

Rita P. war überrascht. Unter Tränen sagte sie, dass sie gerade den Angeklagten in besserer Erinnerung hatte, da der den Befehl gab, abzuhauen. Sie überlegt noch, ob sie das Geld annimmt.

Die Staatsanwältin sah den Tatvorwurf der schweren räuberischen Erpressung durch die Verwendung des Messers nicht bestätigt. Dass das Grundstück betreten und Druck auf die allein dastehende Frau ausgeübt wurde, sah sie als „starkes Stück“ an.

Es habe kein Anspruch auf das Geld bestanden, stellte sie klar. Die Staatsanwältin forderte sechs Monate Haft auf Bewährung. 1.400 Euro als finanzieller Ausgleich würden reichen. Der Verteidiger sah keine gemeinschaftliche Bedrohung, der Angeklagte hätte nichts mitgekommen, da er sich im Hintergrund aufhielt. Er sah nur Nötigung und Sachbeschädigung. Der Anwalt hielt 90 Tagessätze zu je zehn Euro für angemessen.

100 Tagessätze zu je 15 Euro wegen Erpressung

Strafrichter Robert Schröter verurteile den 45-Jährigen schließlich wegen Erpressung zu 100 Tagessätzen zu je 15 Euro und Übernahme der Kosten. Er konnte den Saal als freier Mann verlassen.

Schröter erklärte, dass die Art und Weise der Erpressung für den Ersttäter zu der relativ hohen Geldstrafe führte, auch wenn er die Entschuldigung und Geldzahlung positiv bewertete. Allen sei das Vorgehen durch die Beobachtung der Tochter und die Auswahl des Hauses klar gewesen. (mz)