1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. Ortsumfahrung B180: Ortsumfahrung B180: Wenn Pferd auf Bagger trifft

Ortsumfahrung B180 Ortsumfahrung B180: Wenn Pferd auf Bagger trifft

Von Marko Jeschor 08.11.2016, 11:27
Maik Kebernik (links) und Vivien Metze bangen um die Zukunft des Reiterhofs in Westdorf.
Maik Kebernik (links) und Vivien Metze bangen um die Zukunft des Reiterhofs in Westdorf. Peter Kramer

Aschersleben - Die Hoffnung einer ganzen Region ist rund 26 Millionen Euro teuer und 8,5 Kilometer lang: die Umgehungsstraße zwischen Aschersleben und Quenstedt. Sie soll den Verkehr aus dem Süden des Landes an Aschersleben zur Nordharzautobahn vorbeiführen und so die Innenstadt insbesondere vom Schwerlastverkehr befreien.

Es geht nach Prognosen um einige tausend Fahrzeuge pro Tag. Die Planer sprechen bedeutsam von einem Lückenschluss zwischen der A 38 und A 14.

Der Planfeststellungsbeschluss des auch im neuen Bundesverkehrswegeplan verankerten Projekts steht zwar seit nunmehr eineinhalb Jahren. Am 22. November wird erstinstanzlich vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig jedoch verhandelt, ob es wie geplant umgesetzt werden kann.

Insgesamt sind drei Klagen gegen das Vorhaben anhängig. Kläger sind im Wesentlichen der Landwirt Jürgen Arndt von der Agro GbR Aschersleben und Maik Kebernik vom Reiterhof in Westdorf. Arndt fordert eine andere Trassenführung und zweifelt die Verkehrsprognose an, Kebernik sieht die Existenz seines Reiterhofs gefährdet.

Reitanlage in Gefahr

Ein verregneter Nachmittag in der vergangenen Woche: Vivien Metze aus Frose dreht einsam ihre Runden auf der Reitanlage. Seit gut zehn Jahren ist die 25-jährige Freizeitreiterin mit ihrem Deutschen Sportpferd Chirac regelmäßiger Gast hier. Wenn die Ortsumfahrung so gebaut wird, wie sie gebaut werden soll, muss sich Metze wohl einen anderen Reiterhof in der Region suchen.

Dann „muss ich hier zumachen“, sagt Kebernik, der seit 1995 die Geschäfte führt. Allein durch die Ankündigung des Bauvorhabens habe er vier Pferde verloren, „und die nächsten fünf Reiter haben schon gesagt, dass sie weg sind, wenn das hier los geht“. 20 Reiter und ihre Pferde betreut der Reiterhof nach seinen Angaben aktuell.

Grund für seine Zukunftsängste soll eine Baustraße sein, wie Flächenverpächter Arndt ein paar Kilometer weiter in seinem Büro in Aschersleben erklärt. Vor ihm liegen etliche Schreiben an alle möglichen Behörden und Ministerien sowie Karten auf einem großen Beratungstisch, die sich eben mit dem für die Region bedeutsamen Vorhaben auseinandersetzen.

Ein Teil dieser Baustraße soll demnach genau dort verlaufen, wo häufig auch Reiter und Pferd unterwegs sind - im schönen Einetal. Arndt sagt: „Dieser Konfliktpunkt wurde bei der Planung nicht richtig betrachtet.“ Auf fast eineinhalb Kilometer könnten sich dort künftig Pferd und Bagger während der mindestens dreijährigen Bauzeit begegnen. Das Problem: „Pferde sind Fluchttiere.“

Wieder Ackerland abtreten

Arndt selbst soll indes wertvolles Ackerland abtreten - wieder einmal, wie er sagt. Sein Betrieb habe in den vergangenen Jahren die meisten Hektar Land verloren, auch wegen des Baus der B 6n nördlich von Aschersleben. „Ich bin damit bestraft“, sagt Arndt.

Auch wenn er dafür entschädigt wird, der Landwirt erwartet wirtschaftliche Einbußen. Denn nach seiner Aussage sollen zum Teil Ackerflächen zerschnitten werden, weshalb diese sich dann nicht mehr zum Rübenanbau eignen, weil der Abtransport nicht mehr gewährleistet sei.

Sein Land soll auch für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, also etwa Baumpflanzungen, herhalten, „während angrenzende Flächen vom Bund und Land unberührt bleiben“. Alles könne langfristig dazu führen, dass er Mitarbeiter entlassen müsse, sagt Arndt. 15 beschäftigt er derzeit.

Im Planungsverfahren zur Ortsumgehung habe Arndt deshalb etliche Hinweise gegeben. Mittlerweile klingt der Landwirt ziemlich gefrustet, spricht von „Arroganz an der Schreibtischkante“. Die Menschen vor Ort seien zuletzt gehört worden. Es gehe ihm allerdings nicht darum, das Projekt zu verhindern, sondern darum, dass die Ortsumgehung mit dem geringstmöglichen Nachteil gebaut wird.

Griff ins Klo

Es seien Fehler bei der Planung gemacht worden. „Das war ein Griff ins Klo“, sagt Arndt. Es zeigt sich überzeugt, dass „die meisten Argumente vor Gericht für uns sprechen“.

Das Landesverkehrsministerium gab sich auf MZ-Anfrage jedoch auch betont zuversichtlich. Die Argumente des klagenden Landwirtschaftsbetriebes seien, soweit möglich und anerkannt, berücksichtigt. So seien ein Durchlass und eine zusätzliche Zufahrt eingeplant worden.

Dass der Reiterhof in seiner Existenz bedroht ist, davon wollte das Ministerium nicht sprechen. Das sei nach der vorliegenden Planung nicht der Fall. Details dazu blieben aufgrund der bevorstehenden Vorhandlung offen. (mz)

Noch ist nicht abzusehen, wann der Verkehr auf der geplanten Umfahrung rollen kann.
Noch ist nicht abzusehen, wann der Verkehr auf der geplanten Umfahrung rollen kann.
Archiv/Gehrmann