Schwere Krankheit Noch einmal ihr Frose sehen: ASB-Wünschewagen sorgt bei Birgit Skibowksi für Momente des Glücks
Die ehemalige Froserin Birgit Skibowski ist schwer krank. Dank des ASB-Wünschewagens konnte sie jetzt ihre alte Heimat noch einmal besuchen. Es wird berührend – und ein halbes Klassentreffen.

Frose/MZ - „Das ist doch der Lutz!“, rufen die Frauen, die am Wochenende auf der Froser Domäne schwatzend zusammensitzen, als ein in Schwarz gekleideter Mann von seinem Motorrad steigt. In der Hand hält er eine rote Rose. Die ist für seine einstige Schulkameradin Birgit Skibowski gedacht.
Dass die schwerkranke 61-Jährige noch einmal in ihrem Heimatort Frose sein kann, ist Yannic Kalytta und vor allem dem ASB-Wünschewagen zu verdanken. Ihre vielen Freunde, ihre Kinder, einstige Klassenkameraden – der Tag gleicht tatsächlich einem halben Klassentreffen –, Familie Mertin, die die Domäne kostenlos für das Wiedersehen zur Verfügung stellt, sie alle sorgen dafür, dass dieser Besuch in der alten Heimat unvergesslich wird. Voller Gänsehautmomente, aber auch voller Lachen und schöner Erinnerungen.
Ein Leben voller Tiere
Birgit Skibowski, Jahrgang 1964 und eine geborene Nieft, ist in dem Seeland-Ort keine Unbekannte. Als junge Frau – sie liebte Tiere bereits als Kind über alles – hat sie eine Ausbildung zur Zootechnikerin absolviert, dann in Frose bei der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) gearbeitet. „Sie war eine der ersten Frauen im Ort, die einen Traktor fahren durfte“, erzählt ihr Sohn Marco nicht ohne Stolz. Auch an den Dreharbeiten zur DDR-Fernsehserie „Rächer, Retter und Rapiere“ mit dem jungen Walter Plathe war sie beteiligt. Eine Komparsenrolle ergatterte sie damals leider nicht, weil sie bei der Vergabe nicht dabei war. Aber sie kümmerte sich um die Pferde, die in dem abenteuerlichen Streifen durch die Wälder bei Ballenstedt und Badeborn jagten.
„Die Früh- und Spätschichten in Frose waren aber zu anstrengend mit zwei Kindern“, erzählt die 61-Jährige rückblickend und nennt dies als Grund dafür, warum sie jobtechnisch später zur LPG „Florian Geyer“ nach Aschersleben wechselte. „Dort gab es nur Tag- und Nachtschichten. Das war besser. Und es gab auch einen LPG-Kindergarten.“ Wie viele andere Menschen wurde Skibowski aber mit der Wende arbeitslos.

Nach einer Kur 1992 in Thüringen – sie wurde von einem Pferdehuf getroffen – hätte sie in Frose einen Job als Malerin und Tapezierin bekommen. „Doch ich bin in Thüringen hängengeblieben“, lacht sie und sagt: „Das war dort so schön, dass ich da gerne wohnen wollte.“ Die alleinerziehende Mutter fragte ihre beiden Kinder Marco und Bianca, ob sie sich das vorstellen könnten und begann mit ihnen ein neues Leben.
Immer für andere da
Sie arbeitete weiter mit Tieren: in einem Tierheim in Stadtlengsfeld, dem Tierpark in Bad Liebenstein, als Reitlehrerin in Bad Salzungen. „Sie ging in drei Schichten arbeiten und hat uns beiden als alleinerziehende Mutter ein schönes Zuhause geschaffen“, erinnert sich Sohn Marco. Seine Oma Edith sei dabei immer eine Stütze gewesen. Kein Wunder, dass seine Mutter die Seniorin später zu sich geholt, sich um sie gekümmert und sie gepflegt hat.
Seine Oma sei nun aber ins Seniorenheim gezogen, denn seine Mutter hatte im Januar eine erschütternde Nachricht erhalten. Bei ihr wurde Brustkrebs diagnostiziert, der bereits gestreut hat. Seit Mai lebt die ehemalige Froserin deshalb im Hospiz in Eisenach. „Sie hat sich immer um andere gekümmert, nie Zeit für sich selbst gehabt“, sagt ihr Sohn und freut sich umso mehr, dass ihr nun einer ihrer letzten Wünsche erfüllt werde.
Daran hat der Froser Yannic Kalytta großen Anteil. Weil Birgit Skibowski stets ein bisschen Heimweh hatte, richtete sie vor Jahren mit „Frose – Sachsen/Anhalt, unsere schöne Heimat“ eine Facebook-Gruppe ein, in der sich Froser und Ehemalige austauschen, Erinnerungen und neueste Nachrichten einstellen können. Kalytta stieß als weiterer Administrator dazu, um bei der Verwaltung der Gruppe zu helfen und ist seitdem in ständigem Kontakt mit Skibowski.
Eine Idee auf dem Heimweg
„Durch Zufall habe ich mitbekommen, dass sie jetzt im Hospiz lebt“, sagt der 26-Jährige, der sie daraufhin im Juli mit Barbara Reintanz, einer weiteren Administratorin, in Eisenach besuchte. „Dabei hat sie immer gesagt, wie gerne sie noch einmal nach Frose kommen würde. Auf dem Heimweg hatte ich dann die Idee, beim Wünschewagen nachzufragen.“ Bereits nach zwei Tagen sagte der ASB Thüringen zu.
„Wir machen das gern“, sagt Cornelia Geissler, die gemeinsam mit Anna Krug die 200-Kilometer-Tour begleitet. Beide sind Krankenschwestern und ehrenamtlich als Wunscherfüller tätig und damit Teil eines 56-köpfigen Teams, das schwerkranken Menschen Lebensfreude in die letzten Tage bringen möchte. Das wird komplett über Spenden finanziert. „Wir sind da zur Begleitung unseres Fahrgastes und um sämtliche Wünsche zu erfüllen, auch ganz spontane.“
Im Fall von Birgit Skibowski, die von ihrem Sohn Marco und ihrer jüngsten Tochter Laura begleitet wird, war das etwa ein Extrahalt am Elternhaus. „Wir sind glücklich und zufrieden, wenn wir Birgit hier sehen“, meinen die beiden Frauen vom Wünschewagen.
Halbes Klassentreffen
Und tatsächlich: Die 61-Jährige lacht, umarmt ihre Gäste, nimmt Geschenke entgegen, wie frischgebackene Apfelmuffins mit Zucker und Zimt oder die Abschlusszeitung aus der zehnten Klasse, sie verdrückt Tränen und ist einfach nur glücklich.
2018 ist sie das letzte Mal in Frose gewesen. „Nur ganz kurz. Wir hatten für unseren Tierpark einen Ziegenbock aus dem Zoo von Aschersleben geholt und da wollte ich mir nur mal den Froser See ansehen. Den kannte ich ja noch nicht“, erzählt Skibowski. An den späteren Klassentreffen konnte sie schon nicht mehr teilnehmen. Und so kamen nun eben viele Klassenkameraden – auch von weiter weg – zu ihr.
Ihr Sohn Marco hat dafür echte Thüringer Würstchen für den Grill mitgebracht und Yannic Kalytta Getränke und Pferde-Servietten. Echte Pferde, wie Nala von der Domäne, sind natürlich ebenfalls dabei und zaubern der Schwerkranken ein Lächeln ins Gesicht. „Mit diesem Lächeln kennt sie jeder von früher.“