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Kinderbetreuung Neue Beitragssatzung fällt bei Ascherslebener Elternvertretern und Stadtratsfraktionen durch

Welche Beiträge sind für die Kinderbetreuung zumutbar? Verwaltung, Eltern und Ascherslebener Stadträte ringen um eine Lösung, mit der alle leben können.

Von Kerstin Beier 07.11.2024, 08:00
Vor der Abstimmung im Bildungs- und Sozialausschuss protestieren Betroffene gegen die geplanten Erhöhungen der Elternbeiträge.
Vor der Abstimmung im Bildungs- und Sozialausschuss protestieren Betroffene gegen die geplanten Erhöhungen der Elternbeiträge. (Foto: Kerstin Beier)

Aschersleben/MZ - Die Betreuungskosten in den Kindereinrichtungen der Stadt Aschersleben beschäftigen derzeit nicht nur die Stadträte, sondern vor allem die betroffenen Familien. Denn folgt der Stadtrat am 27. November dem Vorschlag aus dem Rathaus, kommen auf Eltern erheblich steigende Beiträge zu. Viele Elternvertreter haben am Dienstagabend die Gelegenheit genutzt, die Diskussion im Bildungs- und Sozialausschuss zu verfolgen. Und vor allem: die Reaktion auf einen Änderungsvorschlag zu beobachten, den die Gemeindeelternvertretung gemeinsam mit der Fraktion Die Linke/SPD/Grüne erarbeitet hat.

Wie ist die Ausgangslage?

Die Kosten für die Kinderbetreuung sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Seit 2016 von 11,6 auf voraussichtlich 15,2 Millionen Euro in diesem Jahr. Land und Landkreis tragen aktuell etwa 48 Prozent der Gesamtkosten. Der große Rest ist von Kommunen und Eltern aufzubringen. Wobei sich die Anteile seit der letzten Beitragserhöhung 2016 verschoben haben. Waren die Lasten anfangs noch halbwegs „gerecht“ verteilt, trägt die Stadt inzwischen 63 Prozent des Defizits, die Eltern 37 Prozent. In absoluten Zahlen bedeutet das: 4,9 Millionen Euro entfallen auf die Stadt und 2,9 Millionen auf die Eltern. Zudem rechnet die Stadt damit, dass die Personal- und Sachkosten weiter steigen, das Ungleichgewicht also noch größer werden werde.

Eine Erhöhung der Beiträge war allein wegen der städtischen Haushaltslage erwartbar. Denn das beschlossene Haushaltskonsolidierungskonzept schreibt vor, die Einnahmen zu überprüfen und auch die Betreuungskosten anzupassen.

Was schlägt die Stadt vor?

Die Kostenbeiträge für die Eltern sollen je nach Betreuungsart und -zeit zum Teil drastisch steigen. Beispiel Kinderkrippe: Für eine achtstündige Betreuung zahlen Eltern bisher 190 Euro, künftig würden 261 Euro fällig. Bei zehn Stunden erhöht sich der Beitrag gar um 90 Euro von 236 auf 326 Euro. Im Kindergarten steigt der Elternbeitrag bei acht Stunden Betreuung von 158 auf 194 Euro. Bei zehn Stunden beträgt der Unterschied 45 Euro.

Beitragssteigerungen gibt es laut städtischem Vorschlag auch im Hort. Drei Stunden würden hier mit 71 statt bisher 59 Euro zu Buche schlagen. Bei sechs Stunden erhöht sich der Beitrag um 26 auf 117 Euro. Von einer Staffelung nach Einkommen will die Stadt absehen. Der Grund dafür sind Möglichkeiten, Geschwisterermäßigung oder Beitragsübernahme zu beantragen.

Welche Reaktionen gibt es bisher?

Damit die neue Satzung gültig wird, braucht es eine Anhörung der Träger und Gemeindeelternvertretung. Die Anhörung hat am 28. Oktober stattgefunden. Im Ergebnis liegt der Stadt und den Stadträten ein Brief vor, in dem die Elternvertreter der Beitragsanpassung in dieser Höhe entschieden widersprechen. Um 20 (für Kindergärten) und 40 Prozent (für Krippen) erhöhte Beiträge seien „weder sozialverträglich noch vereinbar mit den Grundsätzen einer kinderfreundlichen Stadt, die sich als Bildungsstandort positioniert“, heißt es dort. Besonders Familien mit mittlerem oder geringem Einkommen sowie Alleinerziehende seien stark betroffen.

Es werde befürchtet, dass Eltern gezwungen sind, die Betreuungszeiten zu reduzieren oder ganz auf eine Betreuung zu verzichten. „Dies steht im Widerspruch zum Grundsatz der Chancengleichheit“ und sei nicht im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sollte die Nachfrage nach Betreuungsstunden einbrechen, so argumentieren die Unterzeichner, hätte dies negative Auswirkungen auf die Einrichtungen selbst und deren finanzielle Grundlage. „Langfristig könnte dies zu einem Abbau von Fachkräften und einer Verschlechterung der Betreuungsqualität führen“. Auch Folgen für die regionale Wirtschaft seien zu bedenken, wenn Eltern ihre Arbeitszeiten reduzieren müssten.

Gibt es andere Vorschläge?

Die Eltern und Träger der Einrichtungen lehnen eine Erhöhung nicht rundweg ab. „Wir wissen, dass die Kosten entstehen und getragen werden müssen. Wir appellieren aber an die Stadträte, an die Familien zu denken, die sich überall mit steigenden Preisen konfrontiert sehen“, sagt Christian Henze, einer der Unterzeichner, im Bildungsausschuss. Gemeinsam mit der Fraktion Die Linke/SPD/Grüne wurde ein Vorschlag erarbeitet, den die Fraktion als Änderungsantrag in die Sitzung des Bildungs- und Sozialausschusses am Dienstag eingebracht hat.

Vorgeschlagen wird auch hier eine Erhöhung der Beiträge, die jedoch bei weitem nicht so drastisch ins Kontor schlägt. So würden für acht Stunden Krippenbetreuung 220 Euro fällig. Das sind 30 Euro mehr, als die Eltern aktuell zahlen. Bei zehn Stunden beträgt der Unterschied zum aktuellen Beitrag 44 Euro. Moderat würden auch die Erhöhungen für die Kindergartenkinder ausfallen. Für acht Stunden wären 175 Euro zu bezahlen, für zehn Stunden 215.

Im Hort würden die Beiträge für drei Stunden von 59 auf 70, für sechs Stunden von 91 auf 110 Euro steigen. Stadtrat Marco Kiontke, der den Änderungsantrag vorstellte, appellierte an seine Stadtratskollegen der anderen Parteien, den Antrag mitzutragen. „Es ist ein Vorschlag, der für die nächsten Jahre Sicherheit gibt.“

Wie geht es jetzt weiter?

Über den Änderungsvorschlag sowie über den Vorschlag der Stadt war im Bildungs- und Sozialausschuss abzustimmen. Von den neun anwesenden Mitgliedern haben sich sieben der Stimme enthalten. Weil Marco Kiontke und Elke Reinke (Die Linke/SPD/Grüne) dafür stimmten, ist deren Vorschlag damit angenommen. Das gleiche Abstimmungsverhalten zeigten die Mitglieder auch bei der Entscheidung über die so geänderte Vorlage der Stadt.

CDU und Widab kündigten jedoch an, selbst noch Änderungsvorschläge einzubringen. Die Zeit habe nicht ausgereicht, sich intensiv mit dem Vorschlag der Stadtratskollegen auseinanderzusetzen, so Holger Weiß von der Widab. Der Vorschlag der Stadt jedenfalls sei für seine Fraktion nicht zustimmungsfähig. Ähnlich äußerte sich auch Andreas Rossa von der CDU. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Den endgültigen Beschluss fasst der Stadtrat.