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Naturschutz in Nachterstedt Naturschutz in Nachterstedt: Die Schwalbe in der Kokosnuss

Von regine lotzmann 21.04.2015, 17:30
Rainer Richter bringt Nisthilfen für die Schwalben an (oben), die gern angenommen werden.
Rainer Richter bringt Nisthilfen für die Schwalben an (oben), die gern angenommen werden. Frank Gehrmann Lizenz

nachterstedt - „Gestern sind sie gekommen“, lacht Rainer Richter und schaut in den Himmel hinauf. Dort, über dem Grundstück des Rentners in der Wilhelmstraße von Nachterstedt, ziehen ein paar Rauchschwalben ihre Kreise. „Im letzten Jahr war es nur ein Paar, das hat aber neun Junge großgezogen. Dieses Mal sind zwei Paare hier“, freut sich der 68-Jährige und glaubt, dass auch der letztjährige Nachwuchs zurückgekommen ist.

Für den hat Richter zwei weitere Nisthilfen geschaffen: ausgehöhlte Kokosnuss-Schalen, die mit einem Brett unterm Dach angebracht sind. Das darunter gelagerte Holz hat der Nachterstedter mit Schutzfolie abgedeckt. „Das ist das, was viele Leute abschreckt“, weiß der Rentner angesichts des Kotes, der sich unter so einem Schwalbennest ansammeln kann.

„Aber Schwalben am Haus, das gehört für mich nun einmal dazu, das kenne ich von Kindesbeinen an“, erklärt Richter, der deshalb mit seiner Frau Ilse im vergangenen Jahr vom Naturschutzbund die Auszeichnung „Schwalbenfreundliches Haus“ verliehen bekam. Die dazugehörige Plakette ist nun an seiner Haustür angebracht.

Genau einen Tag vor dem Heimatfest war sie angekommen. Ein perfekter Zeitpunkt, öffnete die Familie zum Fest für die Öffentlichkeit doch ihre Gartentüren. Denn der 68-Jährige ist nicht nur Schwalbenfreund, sondern auch seit 36 Jahren Hobby-Imker.

„Das ist mein Leben! Das gibt mir Kraft!“, nickt Rainer Richter, der vor zehn Jahren einen schweren Herzinfarkt und eine Herzoperation hatte. Die vielen Tiere, die sich auf seinem etwa 1100 Quadratmeter großen Grundstück tummeln, gaben ihm die Stärke zum Gesundwerden und zum Weitermachen.

Hund Donna zum Beispiel und die Milleniumskatze Josi, die genau im Jahr 2000 geboren ist. Volieren voller Kanarienvögel und Finken. Die Frau habe ihre Hühner. „Das ist so schön, wenn wir früh den Rollladen hochziehen und sofort melden sich die Tiere“, schwärmt der Naturfreund, der auch wilden Arten ein Zuhause gibt. „Im Garten nisten zwei Amselpaare“, erzählt er weiter und zeigt auf ein Nest in Augenhöhe, in dem ein Amselweibchen auf ihrem Nachwuchs sitzt. Von dem Hausherrn lässt es sich nicht stören.

„Die Nachbarin hatte mir davon erzählt, dass man sich dafür bewerben kann“, zeigt Rainer Richter zur Familie Glaser hinüber, die ebenfalls eine Schwalben-Plakette hat. Die wurde im Salzlandkreis im vergangenen Jahr 38 Mal vom Naturschutzbund Sachsen-Anhalt vergeben und soll Hausbesitzer ehren, die Schwalben an ihren Häusern nisten lassen. Damit soll um Verständnis und Akzeptanz für die Vögel geworben werden.

Auch in diesem Jahr können sich wieder Schwalbenfreunde bewerben. Unter: Nabu Sachsen-Anhalt, Schleinufer 18a, 39104 Magdeburg. (gin)

Anfragen können auch per E-Mail an den Naturschutzbund geschickt werden unter der Adresse [email protected]

Und überall schwirren Bienen herum. „Die kommen gerade in Gang, die Kirsche steht in voller Blüte“, macht er auf die prall gefüllten Pollensäckchen an den kleinen Insektenbeinen aufmerksam. Acht Völker hat er hier untergebracht. „Das ist deshalb kein Ausstellungspark, sondern ein naturbelassener Garten“, zeigt er auf die Freifläche, auf der ein dichter Teppich von Winterlingen gerade erst seine gelben Blätter verloren hat. Auch Insektenhotels hat er hier aufgestellt. Und einen Schaukasten.

„In den kommt ein kleines Bienenvolk hinein“, öffnet er eine hölzerne Tür, die eine Glasscheibe freilegt. Durch die können Kinder beobachten, wie die Bienen ihre Waben bauen und mit Honig füllen. „Hier kommen immer viele her: Kindergarten, Grundschule, die Kindergruppe der Kirchengemeinde“, zählt der Senior auf und bedauert, dass die Imker eine aussterbende Sorte sind. „Früher waren wir in Nachterstedt vier und in Hoym sieben“, weiß er noch, denn Richter war einst Vorsitzender des Imkervereins Hoym und Umgebung. „Doch jetzt bin ich in Nachterstedt der einzige.“

Dorthin kam der ehemalige Fahrdienstleiter, der in einem Stellwerk arbeitete, übrigens durch seine Frau. Die hatte der Osmarslebener bei der Bahn kennengelernt und sie ist gebürtige Nachterstedterin. „Im nächsten Jahr haben wir goldene Hochzeit - so lange ist das jetzt schon her“, schmunzelt Richter, dessen Liebe zu seinen Bienen aber noch etwas älter ist: Bereits als Zehnjähriger half er dem Onkel im Bienenwagen.

Apropos Bienen: Erst vor Kurzem hat er in seinem Garten farbenfrohe Bienenfresser entdeckt. „Das ist einfach schön hier“, lächelt er zufrieden und schaut hinauf in den Himmel, wo die Schwalben ihre Kreise ziehen. (mz)

Auch Bienen besitzt Rainer Richter.
Auch Bienen besitzt Rainer Richter.
Frank Gehrmann Lizenz
Auf Augenhöhe befindet sich in Richters Garten auch ein Amselnest.
Auf Augenhöhe befindet sich in Richters Garten auch ein Amselnest.
Frank Gehrmann Lizenz
Über die Plakette für ein schwalbenfreundliches Haus freut sich Rainer Richter sehr.
Über die Plakette für ein schwalbenfreundliches Haus freut sich Rainer Richter sehr.
Frank Gehrmann Lizenz