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Nachlass aufbewahrt Nachlass aufbewahrt: Ein Leben in Kisten und Schachteln

Von Hajo Mann 14.01.2004, 18:20

Mehringen/MZ. - Alfred Gose wurde am 22. Juli 1875 in Halle geboren und ist 1889 nach vorliegender Urkunde konfirmiert worden. Durch Heirat mit Lina Lehmann siedelte er Anfang 1900 nach Staßfurt um. Wann er dem "Radfahrer-Touren-Club Leopoldshall-Staßfurt" beigetreten ist, findet sich nirgendwo exakt belegt. Gut erhalten ist noch die Vereinsfahne des Clubs von 1886. Ebenso gut sind auch die 23 Fahnenschleifen aus der aktiven Zeit des leidenschaftlichen Radfahrers erhalten. Sie wurden vermutlich an die teilnehmenden Vereine während des Bundesfestes des Deutschen Radfahrerbundes vergeben. Die erste Schleife stammt von 1892 vom Bundesfest in Köln und die letzte von 1930 - vom Bundesfest in seiner Geburtsstadt Halle.

Ob die Vereinsmitglieder per Rad zu den Bundesveranstaltungen gefahren sind, ist nirgends belegt. Im Nachlass von Alfred Gose finden sich aber mehrere per Hand gefertigte Streckenskizzen. Urkundlich belegt ist indes, dass die Vereinsmitglieder Alfred Gose, Otto Meyer und Friedrich Rosenthal berechtigt wurden, die Prüfung in Gruppe fünf - Radfahren zum Erwerb des Deutschen Turn- und Sportabzeichens - abzunehmen. Dazu hatte sie mit Schreiben vom 12. August 1921 der Bund Deutscher Radfahrer ermächtigt.

Der Erste Weltkrieg ging auch nicht spurlos an Alfred Gose vorüber. Er wurde eingezogen und Soldat in Frankreich. Teile seines Kriegstagebuches, der Militär- und der Wehrpass sind noch bestens erhalten. Ebenso erhalten sind aus der Zeit von 1916 und 1917 die Vollmilchkarte, die Brot- und Zusatzbrotkarte sowie die Seifen- und Zuckerkarte und jede Menge Notgeld. Bei genügend Milchvorrat war Familie Gose berechtigt, täglich für die vier Kinder einen Dreiviertelliter Milch zu empfangen.

Plötzlich zaubert Karin Gose noch eine Rarität hervor - einen fast nagelneuen Zylinder mit originaler Hutschachtel, Gebrauchsanweisung und Garantieschein. Die Garantie dürfte zwischenzeitlich erloschen sein. Der Zylinder wurde Anfang 1900 im Geschäft Wilhelm Simke in Aschersleben, Hinter dem Turm, gekauft. So verrät es die Aufschrift auf der Schachtel. Im Nachlass des Großvaters befindet sich noch eine original Bernhardt Silberstahl Violine, die 1932 im Musikhaus Winkler in Aschersleben gekauft wurde. "An den Saiten der Violine hat aber der Zahn der Zeit genagt", schmunzelt Frau Gose.

Der gelernte Kaufmann Alfred Gose hat in den 20er Jahren in Staßfurt eine Firma zur Herstellung von Rasiersteinen gegründet. "Das ist noch ein original verpackter Rasierstein vom Großvater", holt Karin Gose diesen Zeitzeugen aus der Schachtel. Diese gehörten früher zu den Rasierutensilien und waren gut geeignet, das Blut zu stillen, wenn man sich beim Rasieren geschnitten hatte. 1938 hat Alfred Gose auch kleinere Mengen davon nach Griechenland exportiert. Dafür musste er in einer Exportvaluta-Erklärung versichern, dass in der Sendung keine Devisen, Gold, Silber, Kostbarkeiten und dergleichen enthalten sind. 1956, so bescheinigt es eine Löschungsurkunde, gab Alfred Gose die Firma auf. Ausdrücklich betont Familie Gose, dass der Nachlass des Großvaters im Familienbesitz bleibt.