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MZ-Forum zur Ausbildung MZ-Forum zur Ausbildung: Auch für gebrannte Kinder

05.03.2014, 15:21
Im BBRZ zeigen Lehrlinge der Holzverarbeitung bei einem Leistungsvergleich ihr Können.
Im BBRZ zeigen Lehrlinge der Holzverarbeitung bei einem Leistungsvergleich ihr Können. Foto: gehrmann Lizenz

Aschersleben/MZ - Auszubildende für morgen zu finden, wird immer schwerer. Für die MZ sprach Uwe Kraus mit Vertretern des Handwerks, von Bildungsträgern und der Harz-AG.

Was treibt die Harz-AG in Aschersleben?

Katja Heidler: Wenn es darum geht, Jugendliche in eine Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln, gibt es für die Harz AG keine Kreisgrenzen. Sowohl Altbewerber, die immer noch auf der Suche nach einer beruflichen Identität sind, und auch Jugendliche von der Schulbank haben die Möglichkeit, am Tag der Offenen Türen Bildung und Handwerk in zukünftige Lehrbetriebe reinzuschnuppern. Unsere Gemeinschaftsaktion zum Tag der Offenen Türen „Bildung & Handwerk“ wurzelt im Projekt „XENOS“, dessen Träger die Harz-AG ist und das in der Region Aschersleben gute Erfolge hat. Das XENOS-Projekt „come together - learn together - win together“ hat das Ziel, eine bessere Verzahnung der Angebote zu erwirken.

Wulfhard Böker: Unsere Kreishandwerkerschaft zieht sich schließlich von Quedlinburg und Halberstadt bis Staßfurt und Aschersleben, da kooperieren wir natürlich mit der Harz-AG.

Mit dem Tag der offenen Türen „Bildung & Handwerk“ haben Sie ja 2013 erste Erfahrungen gesammelt. Zufriedenheit allüberall?

Böker: Ein guter Start, das ist natürlich ausbaufähig.

Evelyn Löhr: Für uns als Bildungsträger lief es nicht ganz so wie erwartet, aber ich denke, die Aktion hat Potenzial.

In welcher Hinsicht?

Böker: Die Bildungsträger sind in Aschersleben stark konzentriert, wenn da nur fünf Handwerksbetriebe zwischen Harz und Bode dazustoßen, ist das zu wenig. Das Signal haben wir an unsere Betriebe geschickt. Der Tag kann sich fürs Unternehmen lohnen.

Marcella Lange: Ich denke, das ist ein guter Ort, an dem Arbeitgeber, die Befindlichkeiten gegenüber Jugendlichen haben, die nicht zu den Überfliegern zählen, potenzielle Auszubildende in ihrer gewohnten Umgebung treffen können.

Also geht es darum, am Tag der offenen Türen am 12. März möglichst viele Teilnehmer der konkurrierenden Bildungsträger an Handwerksbetriebe weiterzureichen?

Böker: Nein! Junge Leute sollen schauen, welche Richtung ihnen liegt; Holz, Metall, Farbgebung oder Service. Da ist völlig egal, ob Neuntklässler mit ihren Eltern kommen, mit Mitschülern oder die Handwerker sich unter den Teilnehmern aus BBRZ, KVHS-Bildungswerk oder BTZ umschauen. Passende Bewerber kriegt kein Unternehmen gebacken und von riesiger Bewerberauswahl kann heute auch keine Rede mehr sein.

Heidler: Natürlich bedarf es dazu der individuellen Arbeit mit den Jugendlichen. Einige haben negative Erfahrungen gemacht, sind gebrannte Kinder. Nennen Sie es Idealismus, aber ich glaube, auf jedes Bewerber-Töpfchen passt ein Ausbildungs-Deckelchen. Die Bildungsträger hier in Aschersleben bieten die Räume, in denen die Handwerker den Jugendlichen bei der Arbeit über die Schultern schauen können.

Claudia Eckert-Meisters: Bei uns lernen die Arbeitgeber die Jugendlichen nicht nach Bewerbungspapier, sondern im persönlichen Gespräch beim Arbeiten kennen. Wir verstehen uns als Brückenbauer, als Bindeglied zwischen Arbeitslosen, Handwerk und Wirtschaft.

Klaus-Peter Graul: Wir verfügen über ein Netzwerk. Das stellen wir in den Dienst der guten Sache, auch wenn jeder Bildungsträger um Förderung kämpft.

Worin sehen Sie Ihre Hauptaufgabe?

Löhr: Die Bewerber fit zu machen für potenzielle Arbeitgeber. Wir müssen alle mitnehmen, weil sie gebraucht werden.

Heidler: Ich gebe zu, mancher Arbeitgeber muss sich dafür auf Abenteuer einlassen.

Eckert-Meisters: Das kann aber auch von Erfolg fürs Leben gekrönt werden. Mit einer theoriereduzierten Ausbildung haben wir auch Menschen um die 30 eine Chance gegeben, aktuell Leute, die in einer Baumschule oder als Lagerist ihr Arbeitsumfeld gefunden haben.

Runzeln Sie als Frau der Praxis da nicht manchmal die Stirn?

Löhr: Im Gegenteil. Wir geben da kleinen, übersichtlichen Handwerksbetrieben sogar größere Chancen als Industrieunternehmen. Da kann der Chef viel individueller auf den Jugendlichen eingehen. Viele von denen haben nun mal Vermittlungshemmnisse.

Heidler: Sehen wir es mal realistisch und betriebswirtschaftlich. Jeder in eine Ausbildung Vermittelte spart dem Sozialsystem Kosten. Noch wichtiger, der Mensch ist anerkannter, letztlich zufriedener mit dem Leben.

Böker: Uns ist es wichtig, dass wir hier in der Region etwas tun. Derzeit wird um Köpfe gekämpft. Die Wege zur Berufsschule werden weiter. Ich habe oft den Eindruck, wir perfektionieren alles, um die Jugendlichen aus unserer Region zu verbannen. Glaubt jemand, die kommen dann wieder?

Das Geld erarbeiten, abends die Abrechnung, Ausschreibungen und dann noch ausbilden. Ist da mancher Meister nicht überfordert?

Böker: Es ist eine Herausforderung. Aber wer soll sonst Gesellen und künftige Meister heranziehen?

Lange: Die Arbeitsagentur mit ihren Partnern legt dazu gerade ein Programm auf. „Assistierte Ausbildung und Vermittlung“ bedeutet, dass in der derzeitigen Phase Coaches in 24 Handwerksbetrieben Auszubildende, speziell auf deren Schwächen abgestellt, betreuen.

Graul: Im Salzlandkreis sollen es 22 Trainer sein, die die betriebliche Ausbildung bei den Handwerkern begleiten. Wir verstehen uns als Bildungs-Dienstleister. Wir haben 40 Absolventen von Bau bis Hauswirtschaft, die wollen wir integrieren. Dabei bleibt das Handwerk für uns die erste Adresse.

Eckert-Meisters: Ich denke, das Handwerk kann es allein nicht schultern. Der Kontakt zur Berufsschule muss gehalten werden, der Wecker darf nicht überhört werden. Die Sozialarbeiter haben da gut zu tun.

Lange: Arbeitsagentur und Berufsschulen können Kopfstände machen, die häusliche Unterstützung können sie nicht ersetzen.

Böker: Die jungen Leute müssen zum Abschluss kommen und kapieren, dass eine abgeschlossene Lehre auch im Geldbeutel zu merken ist. Viele Meister sagen: Klar, ich brauche auch Handlanger. Aber letztlich muss ich die Leute ja allein arbeiten lassen können.

Tag der Berufe, Tag der offenen Türen „Bildung&Handwerk“ und Bildungsmesse Thale, verwirrt das die Bewerber nicht etwas?

Löhr: Tag der offenen Türen „Bildung&Handwerk“ und die 9. Bildungsmesse in Thale am gleichen Tag bringen durchaus Synergie-Effekte. Das kommunale Messe-Projekt hat Tradition, die Stadt stellt Firmen in ihrer Vielfalt vor, da finden sie Hotel- und Gaststättenverband, Industrie und Handwerk. Dazu können die Bewerber in unseren Werkstätten schauen, wie sie mit Metall, Holz, Papier und Pinsel umgehen können.

Lange: Wer noch keine Ausbildungsstelle hat, für den kann der 12. März wichtiger Termin werden.

Böker: Die Handwerker müssen sich Auszubildende nicht nur suchen. Unser Halberstädter Alt-Meister Gerhard Schäfer pflegte immer zu sagen, man muss mit dem Lehrling Weihnachten auch mal eine Kerze anzünden. So lodert die Flamme der Begeisterung.

Tag der Offenen Türen „Bildung & Handwerk“, 12. März, 10 bis 15 Uhr an den vier Standorten von KVH-Bildungswerk, BBRZ und BTZ