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LPG Florian Geyer 1977 LPG Florian Geyer 1977: Über diesen Brand stand nichts in der Zeitung

Von Bernd Schulz 09.11.2017, 14:39
Die Löscharbeiten dauerten drei Stunden.
Die Löscharbeiten dauerten drei Stunden. Bernd Schulz

Aschersleben - Es war der 2. März 1977 - am Vormittag - als eine schwarze Rauchsäule den östlichen Himmel über der Stadt verdunkelte. Ein beißender Geruch lag in der Luft. 17 Feuer-Alarmsirenen heulten.

Die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Aschersleben verließen flugs ihre Arbeitsplätze und eilten zum Feuerwehrgerätehaus in die Magdeburger Straße. Sie besetzten die Einsatzfahrzeuge, starteten die Motoren, ließen die Martinshörner heulen, schalteten das Blaulicht ein und machten sich auf den Weg zum Einsatzort.

Der lag zwischen der Prof.-Dr.-Walter-Friedrich-Straße und der Bahnhofstraße. Dort wo sich heute der Großgaragen- und der Verwaltungskomplex des Kreiswirtschaftsbetriebes des Salzlandkreises befindet, und wo in den 1970er Jahren noch ein Dreiseiten-Bauernhof stand.

LPG Florian Geyer im Jahr 1977: Einer von mehreren Höfen in Aschersleben

Der gehörte einst dem Bauern Baumgarten und war im Zuge der Kollektivierungen der Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) „Florian Geyer“ Aschersleben zugeschlagen worden.

Dieser Bauernhof war einer von mehreren land- und tierwirtschaftlichen Höfen im Stadtgebiet. Und hier hatte kurz nach 10 Uhr ein in den Stallungen arbeitender Tierpfleger einen starken Brandgeruch wahrgenommen.

Er suchte nach der Ursache und bemerkte schnell eine Brandstelle im Stroh. Es war offensichtlich - da konnte nur noch die Feuerwehr helfen. Der Mann veranlasste die Brandmeldung vom Bürotelefon über den Feuer-Notruf 112 zur Polizeileitstelle, von wo aus die Feuerwehren alarmiert wurden.

Um 10.25 Uhr verließen mehrere Einsatzfahrzeuge das Depotgelände. Bei ihrer Ankunft in der Prof.-Dr.-Walter-Friedrich-Straße brannte das mit Stroh gefüllte Scheunengebäude in voller Ausdehnung.

LPG Florian Geyer im Jahr 1977: Flammen hatten leichtes Spiel

Auch das daneben liegende Stallgebäude war zum Teil schon vom Brand erfasst und stark verraucht. Die Dachkonstruktion und die Zwischendecken waren aus massivem Bauholz, und das Dach mit Dachpappe eingedeckt. Da hatten die Flammen leichtes Spiel.

Im Stall befanden sich die Boxen mit 67 Rindern und Schweinen sowie größere Mengen an Futtermitteln.

Blitzschnell hatten die Feuerwehrmänner die Lage erfasst. Es galt, die Löschwasserversorgung aufzubauen und die Tiere aus ihrer gefährlichen Situation zu retten. Weitere Löschkräfte wurden angefordert. Darunter die Betriebsfeuerwehren des VEB Baumaschinen, aus der Wema, dem Rohrleitungsbau und aus dem Karosseriewerk.

Dazu rollten auch Einsatzkräfte aus Ermsleben an. Sie wurden teilweise mit in die Einsatzhandlungen einbezogen.

Die Werkfeuerwehr des VEB Baumaschinen beispielsweise verlegte eine Löschleitung in der Bahnhofstraße und stellte zwei Angriffstrupps. Andere wurden als Reservekräfte vorgehalten.

LPG Florian Geyer im Jahr 1977: Tiere musste aus dem Stall geholt werden

Hofseitig wurde ein weiterer Löschangriff durch mehreren Löschtrupps mit schwerem Atemschutzgerät gestartet, insbesondere um die verängstigten und beunruhigten Tiere - gemeinsam mit den Tierpflegern - aus dem Stallgebäude zu treiben.

Außerdem begannen Löschkräfte von einem Flachdach des damaligen Verwaltungsgebäudes der Stadtwirtschaftlichen Dienstleistungen in der Heinrichstraße aus, dieses angrenzende Objekt zu schützen.

Gleichzeitig wurden auch von hier aus die im Vollbrand stehenden Stall- und Scheunengebäude per Strahlrohr ins Visier genommen. 58 Zucht- und Masttiere konnten schließlich gerettet werden. Neun Tiere verendeten durch die Brand- oder Rauchgaseinwirkung qualvoll.

Nach fünf Stunden Einsatzdienst verließen die letzten der insgesamt 79 Feuerwehrkräfte die Einsatzstelle. Einige Zeit vorher waren bereits einzelne Feuerwehren aus dem Einsatzgeschehen herausgelöst worden.

LPG Florian Geyer im Jahr 1977: Sechsjähriger Junge zündete Stroh an

Neben den Feuerwehrmännern waren auch 20 Polizeibedienstete im Einsatz. Unter anderem Mitglieder der sogenannten Abteilung F, die für die Einsatzleitung zuständig waren.

Die Schutz- und Verkehrspolizei sorgte für die Absperrungen und die Verkehrsregulierung, während sich die Kripo mit der Ermittlung der Brandursache und der Schadenssumme befasste.

Als Ursache für den Ausbruch des Brandes konnte schließlich eine Brandstiftung durch einen sechs Jahre alten Jungen ermittelt werden. Der hatte das Stroh in der Scheune mit Zündhölzern entfacht.

Der Schaden, der an den relativ alten Scheunen- und Stallgebäuden entstand, wurde mit 25.500 DDR-Mark beziffert.

Der finanzielle Verlust, der der LPG durch die verendeten Tiere entstanden war, betrug 5.500 Mark. Außerdem wurden sogenannte Folgeschäden in Höhe von rund 5.000 Mark ermittelt.

LPG Florian Geyer im Jahr 1977: Nur noch wenige Tier wurden danach gehalten

Nach dem Brand wurden auf diesem Grundstück nur noch wenige Tiere gehalten. Die Stallanlagen wurden zwar notdürftig repariert, verfielen aber zunehmend in Laufe der Folgejahre bis zur endgültigen Schließung.

Nach der politischen Wende floss das Grundstück mit in die Liquidationsmasse der LPG Florian Geyer ein und wurde nach etwa zehnjährigen Leerstand abgerissen, um Platz für eine andere Nutzung und Neubebauung zu schaffen.

Auch die Gebäude der ehemaligen Stadtwirtschaftlichen Dienstleistungen sowie einige Wohngrundstücke in der Heinrich- und der Bahnhofstraße wurden abgetragen. Deren Grund und Boden sind inzwischen Teil des Geländes des Kreiswirtschaftsbetriebes.

Übrigens - in der damaligen Tagespresse wurde nicht über diesen Brand berichtet. (mz)

58 Tiere überlebten den Brand - neun starben.
58 Tiere überlebten den Brand - neun starben.
privat