Besonderer Geburtstag Hildegard Noetzel feiert in Giersleben ihren 100. Geburtstag
Die Jubilarin hat bis zu ihrem 99. Geburtstag in Aschersleben eine eigene Wohnung gehabt. Wo sie herkommt und wo sie ihr Jubiläum feiert.

Giersleben/MZ - Hildegard Noetzel sitzt an der Stirn der großen Tafel auf dem Hof des Rittergutes in Giersleben. Bunte Luftballons schmücken das Rund, und im Hintergrund hängt eine große „100“. Die Seniorin feiert am Freitag mit den Mitbewohnern des Pflegeheimes und den Mitarbeitern einen besonderen Geburtstag. Seit erst einem Jahr wohnt sie hier. Noch mit 99 lebte die betagte Dame in Aschersleben in der eigenen Wohnung und wurde dort von einem ambulanten Pflegedienst betreut.
Hildegard Noetzel strahlt, als Mitbewohner und Mitarbeiter „Hoch soll sie leben“ für sie anstimmen. Am 22. Juli 1922 wurde sie im ostpreußischen Dorf Dagutschen geboren. Als junge Frau arbeitete sie zwei Jahre in einem Emaillierwerk in Ebendorf unweit des heutigen Kaliningrad. Mit 21, am 1. April 1944, heiratete sie ihren Paul. Der wurde danach aber eingezogen und geriet in Kriegsgefangenschaft. Hilde floh mit ihrer Mutter und drei Schwestern aus Ostpreußen in Richtung Dresden, hat Jana Richter, Prokuristin der Richterpflege, vom Neffen der Jubilarin erfahren. Selbst kann sie nicht mehr viel aus ihrem Leben berichten, denn Hildegard Noetzel ist an Demenz erkrankt. Trotzdem kann sie ihre Wünsche noch äußern. Und das tut sie auch, so Richter.
Nach dem Krieg suchte Hilde über das Rote Kreuz ihren Mann. Über Umwege fand sie ihn in Osnabrück wieder. Anfang der 50er Jahre sei sie schwer krank geworden und habe zwei Jahre im Krankenhaus gelegen, weiß die Hauschefin. Das Paar zog nach Thale und arbeitete bis 1982 gemeinsam in einer Möbelfabrik. 1982 siedelten sie, inzwischen Rentner, in die ehemalige BRD über. Ihr Mann verstarb sechs Jahre später.
Hildegard Noetzel sei immer eine lebens- und reiselustige Frau gewesen, hat ihr Neffe berichtet. Nach dem Tod ihres Ehemannes sei sie viel mit ihren Schwestern unterwegs gewesen. 1998 zog sie nach Holland, 2005 verkaufte sie ihr Haus in den Niederlanden wieder. Der Neffe fand in Aschersleben eine frisch sanierte Wohnung für sie. Bis Oktober 2021 wohnte sie dort allein. Kinder hat Hildegard Noetzel keine.
Senioren, die im Rittergut ihren 100. Geburtstag feiern, gebe es immer mal wieder, sagt Geschäftsführer Stephan Richter. Wie man 100 wird? „Auf alle Fälle aktiv bleiben“, sagt Stephan Richter. „Wer rastet, der rostet“, betont er. „Wenn man sich zur Ruhe setzt, ist das Leben erledigt.“ Die meisten, die alt werden, hätten ein sehr aktives Leben geführt. Die Geburtstagstafel werde übrigens nicht nur zum 100. so liebevoll gestaltet. „Das machen wir bei jedem Geburtstag so“, betont der Geschäftsführer. Nur in der Corona-Zeit habe die Gemeinsamkeit etwas gelitten.
Hildegard Noetzel „hält unsere Jungspunde auf Trab“, sagt Jana Richter. Alles unter 80 zähle sie zu diesen. Von den anderen werde sie durchaus auch Oma genannt, meint Jana Richter schmunzelnd. Bei Betreuungsangeboten wolle sie immer zugucken. Immer mit dabei sein. Das mache das Leben in einem Pflegeheim ja auch aus, dass man nicht so allein ist. „Viele werden sozial wiederbelebt. Und blühen dann regelrecht auf“, das sei echt schön, sagt Jana Richter.
Immer wieder bekommt die alte Dame Glückwünsche. Die Kindertagesstätte „Wipperzwerge“ habe schon ein Ständchen gebracht, eine Vertreterin der Gemeinde gratuliert, schildert die Prokuristin. Und die Seniorin bekennt an einer Stelle abwinkend: „In 100 Jahren ist doch einiges schiefgegangen“. Details verrät sie allerdings nicht.