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Flucht eines Schwerverbrechers Flucht eines Schwerverbrechers: Anwalt wirft JVA Burg Versagen vor

Von Uwe Kraus 22.04.2015, 13:05
Die Justizvollzugsanstalt Burg. Hier saß Silvio T. aus Aschersleben, bevor ihm die Flucht gelang.
Die Justizvollzugsanstalt Burg. Hier saß Silvio T. aus Aschersleben, bevor ihm die Flucht gelang. dpa Lizenz

Magdeburg/Aschersleben - Drei von vier Berufungen verworfen. Das bleibt unterm Strich nach der erneuten Verhandlung zu einer Gefangenenbefreiung im August 2012, die sich in einer Ascherslebener Plattenbausiedlung abgespielt hat. Am Mittwoch sprach Enno Bommel, Vorsitzender Richter am Landesgericht Magdeburg, nach einem weiteren Verhandlungstag sein Urteil.

Das Strafregister des Aschers-lebeners ist lang und reicht vom Fahren ohne Fahrerlaubnis und Tankbetrug über räuberische Erpressung bis hin zu schwerer Körperverletzung, Vergewaltigung und Totschlag. Die Flucht sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Zehn Tage später wurde der Straftäter von Spezialeinheiten in Berlin aufgespürt und verhaftet.

Der Strafgefangene Silvio T. wurde 2012 von Justizbeamten zum sechsten Geburtstag seines Sohnes begleitet, lief dann seinen Bewachern auf Strümpfen davon. Die Umschreibung vom Fliehen mit „einem Strumpf“ gewinnt mit dieser Flucht auf Socken Sinn, findet Richter Bommel.

Danach verschloss der Flüchtige von außen für knapp fünf Minuten die Wohnung und stieg in ein bereitstehendes Auto. Wie in der Vorinstanz, bleibt das Landgericht bei einer Verurteilung zu 60 Tagessätzen zu zwei Euro.

Anwalt fordert Freispruch für Silvio T.

Staatsanwältin Ellen Brech-Kugelmann hatte eine zusätzliche Freiheitsstrafe von zehn Monaten, der Anwalt von Silvio T. Freispruch gefordert. Brech-Kugelmann sah im Abschließen der Wohnungstür mit einem dort steckenden Schlüssel eine „Straftat zur straffreien Selbstbefreiung“. Zudem habe der Flüchtende ein langes Vorstrafenregister und die Aktion dürfe nicht bagatellisiert werden. „Das Zuschließen war das geringstmögliche Hindernis“, argumentiert der Verteidiger.

Richter Bommel hielt dem Geflohenen zugute, dass es während der gesamten mehrtägigen Flucht vom Ascherslebener Wohnzimmer bis zur Festnahme in Berlin zu keinerlei Gewalt kam.

Gegen die Angeklagte Nadine B. fällte das Gericht ein neues Urteil. Sie wurde am Mittwoch zu einer Strafe von 100 Tagessätzen zu 15 Euro verurteilt. Auch bei ihr hatte die Staatsanwältin auf eine zehnmonatige Freiheitsstrafe plädiert, die aber zur Bewährung ausgesetzt werden sollte. Sie sieht im Organisieren und Finanzieren des Fluchtautos durch Nadine B. eine vorbereitende Handlung zur Gefangenenbefreiung und im Steckenlassen des Wohnungsschlüssels eine „förderliche Tatbeteiligung“.

Staatsanwältin Brech-Kugelmann und der Anwalt der Ex-Frau von Silvio T. bezogen sich bei ihrer Wertung des Tatbestandes auf die Definition des Reichsgerichtes von 1894, die auch heute noch rechtsrelevant sei. Eine Gefangenenbefreiung sei beendet, wenn der Vollzugsgewahrsam gebrochen sei, die Beamten den Flüchtenden also nicht mehr sehen. „Gehen, Tür zu und dann ist rechtlich Schluss“, so Rechtsanwalt Veiko Römer.

Kritik am Amtsgericht

Der nutzte seinen Auftritt vor Gericht, um das „überforderte Ascherslebener Amtsgericht“ zu kritisieren und auf das Versagen des Justizvollzuges aufmerksam zu machen. Die Beamten, die den Straftäter auf dem Freigang zum Kindergeburtstag begleitet haben, seien „schlecht ausgebildet, leichtfertig und nicht sicherheitsbewusst“ gewesen.

Das letzte Glied in der Versagenskette

Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Römer angemerkt, dass die Vollzugsbeamten nur das letzte Glied in der Versagenskette waren. Zudem hätten sie das Entweichen des Silvio T. nicht zuerst bemerkt, sondern mussten erst durch eine Frau am Geburtstagstisch darauf aufmerksam gemacht werden. Zudem sei das Liegen- oder Steckenlassen eines Schlüssels nicht strafbar. Letztlich sei nicht einmal klar erwiesen, dass Nadine B. den Schlüssel von außen ins Schloss gesteckt habe. Für ihn komme nur ein Freispruch in Frage.

Gegen die Urteile, die bereits nach zwei von eigentlich drei geplanten Verhandlungstagen fielen, ließ das Landgericht Revision zu, so dass sie noch nicht rechtskräftig sind. (mz)

Ein Justizbeamter steht im Gefängnis Burg. Hier saß der geflohene Schwerverbrecher, bevor ihm die Flucht gelang.
Ein Justizbeamter steht im Gefängnis Burg. Hier saß der geflohene Schwerverbrecher, bevor ihm die Flucht gelang.
dpa/Symbol Lizenz