Erzieherin aus Aschersleben Erzieherin aus Aschersleben: "Kinder sind viel selbstständiger als früher"

Aschersleben - Der Arbeitstag beginnt für Erzieherin Helga Lemmen, wenn bei vielen anderen gerade erst der Wecker klingelt. Kurz vor sechs Uhr bereitet sie die Räume der Kita „Knirpsenland“ vor - „damit alles startklar ist, wenn um sechs die ersten Kinder kommen“, wie sie sagt. Diese werden zuerst in einer Gruppe gesammelt. In diesen frühen Morgenstunden bleibt für die Kleinen „Zeit zum Spielen und Träumen“.
Mit einer Kollegin deckt Helga Lemmen die Früh- und Spätdienste in der Einrichtung ab, die regulär von 6 bis 20.30 Uhr geöffnet ist. Feste Zeiten, zu denen Eltern ihren Nachwuchs bringen müssen, gibt es im Knirpsenland nicht. An diesem Morgen allerdings herrscht bereits gegen 7.30 Uhr reger Betrieb. Gemeinsam mit ihren Schützlingen begrüßt Lemmen im Morgenkreis den Tag.
Dabei wird nicht nur gesungen, sondern auch die Müdigkeit aus Armen und Beinen geschüttelt. Auf Bewegung legen die Erzieherinnen großen Wert, denn das Knirpsenland ist eine „Kneipp-Kita“. Dieses Konzept zielt auf eine gesunde Lebensweise ab. In der Einrichtung werden die Kinder daher von Beginn an mit gesunder Ernährung, Bewegung und gesundheitsfördernden Techniken wie Armbädern und Massagen vertraut gemacht.
Daneben setzt Helga Lemmen darauf, die Kleinen zur Selbstständigkeit zu erziehen. Das beginnt bereits beim Frühstück - hier decken die Drei- bis Sechsjährigen den Tisch und räumen am Ende gemeinsam ab. „Viele Eltern machen das zu Hause selbst. Vielleicht auch, weil es schneller geht“, sagt sie mit einem Lächeln.
Anschließend geht es für die kleine Gruppe ins Bad - Zähneputzen und Armbäder stehen auf dem Plan. Das heißt: Die Kinder halten ihre Unterarme 20 Sekunden unter Wasser und schütteln dieses im Anschluss ab. „Damit werden wir richtig munter“, spricht Lemmen zu den Kindern und wedelt mit den Armen, bevor es zu einer kleinen Yoga-Übung in den Gruppenraum geht.
Im Knirpsenland arbeitet Lemmen seit zehn Jahren und gehört längst zum Inventar. Einige Eltern, die ihren Nachwuchs zur Betreuung bringen, kennt Lemmen noch länger, denn seit vier Jahrzehnten kümmert sie sich um Ascherslebener Kinder. Deshalb waren auch viele der heutigen Erwachsenen einst unter ihren Fittichen. „Ich freue mich immer, wenn ich sehe, was aus den Kindern geworden ist“, sagt Lemmen. Erst neulich sei sie im Supermarkt von einer Kassiererin angesprochen worden, die früher als Schülerin bei ihr im Hort war.
Im Laufe der Jahre konnte Lemmen einige Veränderungen beobachten. Das betrifft nicht nur die Kinder, die ihrer Meinung nach viel selbstständiger geworden sind, sondern auch das Berufsbild der Erzieherin. Im Vergleich zur alten Schule, die die 59-Jährige durchlaufen hat, sei der Umgang zwischen Erziehern und Kindern heutzutage viel lockerer.
Das zeigt sich bereits darin, dass Betreuerinnen von den Kindern geduzt und beim Vornamen angesprochen werden. Obwohl sich Lemmen inzwischen daran gewöhnt hat, ist es ihr wichtig, dass eine gewisse Distanz bestehen bleibt, und die Kinder sie - wenn es darauf ankommt - als Respektsperson wahrnehmen.
Als es beim Spielen am Vormittag etwa zum Streit um Sammelkarten kommt, nimmt sich Lemmen ein Kind zur Seite und ermahnt es ruhig, aber bestimmt. Kurze Zeit später bittet die Erziehern die Kinder, alle Spielsachen wegzuräumen und einen Stuhlkreis zu bilden.
Gemeinsam mit jüngeren Kindern einer anderen Gruppe soll gleich das Projekt „Regenwald“ fortgesetzt werden, bei dem sie auf spielerische Weise mehr über dort lebende Menschen und Tiere erfahren. Bevor es aber los geht, übergibt Lemmen an Gruppenerzieherin Doreen Weber. Ihr vierstündiger Dienst ist für heute geschafft. Lautstark und herzlich wird sie von ihren Schützlingen verabschiedet.
Es sind solche Momente, die den Beruf für Lemmen zu etwas Besonderem macht. Die Entscheidung, diesen gewählt zu haben, hat sie nie bereut. Auch wenn sich einiges verändert hat, bleibt eines gleich: Trotz der vielen Jahre im Beruf fällt es der 59-Jährigen noch immer schwer, die Kinder zu verabschieden, wenn der Schulanfang bevorsteht. „Man hängt an den Kindern, jedes ist eine kleine Persönlichkeit. Da tut der Abschied weh“, erklärt sie. „Wenn das nicht so wäre, wäre man in diesem Beruf falsch.“ (mz)

