Daehre blickt bis nach Polen
Magdeburg/MZ/vs. - Nur besonders aufmerksame oder aber eingeweihte Augen werden die "Schleifen" auf der vierspurigen Bundesstraße 6 sehen. An zwei Stellen bei Wernigerode und Aschersleben werden mit deren Hilfe sogenannte Langzeitzählstellen gespeist. Jedes Fahrzeug, das an dieser Stelle die autobahnähnliche Trasse passiert, wird registriert.
Vergleicht Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) die Quartalsdaten beider Anlagen, so kann er "eine erhebliche Zunahme des Verkehrs" erkennen. Bei Wernigerode wuchs das Verkehrsaufkommen binnen eines Jahres um sechs Prozent und erreicht derzeit pro Tag durchschnittlich 17 600 Fahrzeuge. Der Schwerlastverkehr wuchs mit plus 21,5 Prozent noch kräftiger. Täglich fast 1900 Brummis müssen sich dank der neuen Straße nicht mehr durch die historischen Fachwerkorte entlang des Harzes quälen. Quasi als Geschenk an die Quedlinburger zum Nikolaustag wurden vor einem halben Jahr 14 weitere B 6n-Kilometer plus drei Kilometer bei Güsten (Salzlandkreis) übergeben.
Somit sind 78 von insgesamt 87 Streckenkilometern "unter Verkehr". Seither registriert auch der Ascherslebener Zählautomat ein deutliches Plus. Allein der Anteil des Schwerlastverkehrs dort erreicht jetzt 16,5 Prozent, fünf Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren.
Daehre ist sich sicher, dass die "Nordharzautobahn" in dem Augenblick eine überregionale Bedeutung erhält, wenn die B 6n mit der Autobahn 14 (Halle - Magdeburg) verbunden ist. Wann? Darauf weiß der Minister keine Antwort. Zunächst müsse das Bundesverwaltungsgericht über eine Klage dreier Ilberstedter befinden. Voraussichtlich im dritten Quartal werden die Leipziger Richter entscheiden, ob die Trasse wie geplant gebaut werden kann.
Feststehe indes, dass ab dem 1. September jener Abschnitt gebaut werden soll, der von Güsten bis Ilberstedt (Kreuzung Landesstraße 71) reicht. Auf den 5,7 Kilometern sind fünf Brücken zu errichten. In den kommenden Wochen starten diese Arbeiten. Zuvor hatte das Gericht eine Klage gegen den dortigen B 6n-Weiterbau abgewiesen. Eine spürbare Entlastung vom Durchgangsverkehr in Güsten werde es jedoch erst geben, nachdem auch der 3,5 Kilometer lange Abschnitt fertiggestellt ist, der bis nach Bernburg inklusive des A 14-Anschlusses reichen wird.
Dass ein Anwalt jetzt verbreitete, der erzwungene "vorläufige Baustopp" könnte ein Hinweis auf eine erfolgreiche Klage sein, wies Daehre zurück. Es sei übliche Praxis seines Ministeriums, "freiwillig so lange keine baulichen Fakten zu schaffen, bis ein Gericht entschieden hat". Daraus einen zu erwartenden Gerichtserfolg zu konstruieren, kritisierte der Politiker als "unübliche Orakelei".
In den kommenden Wochen will der CDU-Politiker weiter über die Verlängerung der Straße gen Osten verhandeln. Über jene drei Bauabschnitte hinaus, die auf 33 Kilometern von Bernburg über Köthen bis zu Autobahn 9 bei Dessau führen sollen. In Brandenburgs Verkehrsminister Reinhold Dellmann (SPD) und dem neuen EU-Verkehrskommissar Antonio Tajani (Italien) will Daehre Verbündete für eine B 6n finden, die bis nach Guben und von dort weiter bis nach Polen reicht, für "ein Verkehrsprojekt der europäischen Einheit".
Der Grund für diese Bezeichnung ist simpel wie einleuchtend zugleich: In Deutschland wird das Geld für Verkehrsprojekte immer knapper, und die Europäische Union hat bereits etliche Kilometer der Nordharzautobahn mitfinanziert. Wann geht es auf dieser Straße vom Harz bis nach Polen? Daehre: "Das kann wohl noch 15 Jahre dauern."