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Bildung  Burgschule in Aschersleben: Theaterpädagogin Ines Wilk-Ekim arbeitet mit Schülern im Unterrichtsfach Glück

Von Marko Jeschor 24.06.2016, 18:05
An der Burgschule ist Glück jetzt ein Unterrichtsfach.
An der Burgschule ist Glück jetzt ein Unterrichtsfach. Frank Gehrmann

Aschersleben - Auf den Tischen vor den Schülern liegen mehrere weiße Blätter. Die Schüler sollen zunächst einzeln auf einem ihn zugewiesenen Blatt malen, später auf einem gemeinsamen. Die Motive sind frei wählbar, gesprochen werden darf nicht. Erst wenn alle die Stifte weg gelegt haben, geht es an den inhaltlichen Austausch.

Es ist eine der Aufgaben, die Ines Wilk-Ekim nach den Sommerferien in der Burgschule in Aschersleben mit Siebtklässlern im Unterricht üben will. Das Ziel dieser Übung: Sie sollen lernen, zu akzeptieren, was ihre Mitschüler machen. Das große Ziel dahinter: mehr innere Zufriedenheit des Einzelnen, mehr Zusammenhalt der Klasse, kurz - mehr Glück für alle. Dieses Gefühl zu vermitteln, wird Wilk-Ekim übernehmen. Sie ist damit die neue Glückslehrerin an der Schule.

Pünktlichkeit, Höflichkeit, Besonnenheit fehlen - nicht nur bei Schülern

Die freie Theaterpädagogin aus Aschersleben wird im Rahmen des Malteser-Projekts „Schule atmosfairisch“, das von der Netzwerkstelle „Bündnis für Schulerfolg im Salzlandkreis“ unterstützt wird, einmal pro Woche das Fach Glück unterrichten. Mit dem Thema befassen sich übrigens alle Schulen in Sachsen-Anhalt - sowohl im Deutschunterricht als auch fächerübergreifend.

„Es ist Teil der gelebten Schulpraxis“, wie ein Sprecher des zuständigen Bildungsministeriums auf MZ-Anfrage sagte. Dass es das Unterrichtsfach Glück irgendwo im Land gibt, dazu liegen dem Ministerium in Magdeburg aber keine Erhebungen vor.

Schulleiterin Claudia Brandt-Heim hofft, dass sich die Atmosphäre an der Schule mit dem Projekt weiter verbessert. Sie bemühte sich um die Förderung, weil sie einen Werteverfall in der Gesellschaft beobachtet. Pünktlichkeit, Höflichkeit, Besonnenheit - all das vermisst die 48-Jährige mehr denn je - auch bei ihren Schülern. Dabei seien es eben solche, verhältnismäßig einfachen Kompetenzen, „die zu einem vernünftigen Miteinander gehören“.

Glückslehrerin Wilk-Ekim will mit verschiedenen Übungen eine Reihe von positiven Momenten schaffen, die sich wie Perlen an einer Kette aneinander reihen und von denen die Schüler zehren sollen, wenn es nötig ist. „Viele Schüler sind ja oft auch gefrustet“, sagt Wilk-Ekim, „weil sie nicht erkennen, dass man zwar inhaltlich anderer Meinung sein kann, aber nicht gleich persönlich etwas gegen jemanden hat.“

Wie das Unterrichtsfach Glück gegen Schulangst hilft

Ab der siebten Klasse setzt zudem die Pubertät ein. Eltern wissen: Da geht die innere Ruhe der Kinder in Stresssituationen häufig noch schneller verloren. Das Motto lautet dann: Recht hat, wer lauter ist. Profitieren sollen allerdings auch die Lehrer von diesem speziellen Unterrichtsfach. Auch bei ihnen geht es um mehr Gelassenheit. „Wir wollen damit alle stärken“, sagt Wilk-Ekim.

Schulleiterin Brandt-Heim versuche selbst morgens immer die Schüler mit einem Lächeln zu begrüßen. „Wenn ein Lächeln zurückkommt, starten die Schüler ganz anders in den Tag.“ Brandt-Heim weiß: Wer glücklich ist, ist motiviert, kann viel besser lernen und ist im Zweifel auch erfolgreicher. Das wiederum kann sich auf die Atmosphäre in der Schule auswirken.

Ein gänzlich neues Konzept

Auf solche Erkenntnisse stützt sich auch der Begründer des Unterrichtsfachs Glück, Fritz Schubert. Der ehemalige Schulleiter aus Baden-Württemberg gründete das gleichnamige Institut zur Persönlichkeitsentwicklung bereits 2009, reagierte damit auf eine seiner Meinung nach weit verbreitete Schulangst, wie es auf seiner Internetseite heißt.

Schubert, heute Pensionär und Leiter des Instituts in Heidelberg, startete zunächst einen Modellversuch an einer Schule und ließ die Ergebnisse wissenschaftlich auswerten. „Diese Ergebnisse haben uns ermutigt, die Inhalte und Methoden auf weitere Schulen und andere Bereiche zu übertragen.“ Seither werde das Schulfach an über 100 Einrichtungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterrichtet, auch die Bundesliga-Fußballer der TSG 1899 Hoffenheim profitieren von der Glückslehre. Lehrer wie Wilk-Ekim bildet das Institut selbst aus.

Mit dem Unterrichtsfach Glück verfolgt Brandt-Heim ein gänzlich neues Konzept. Ohnehin besteht für die 48-Jährige der Unterricht längst nicht mehr aus Fächern wie Deutsch oder Mathematik. „Wir wollen Kompetenzen für das Leben entwickeln, nicht nur Lernstoff vermitteln.“ Daran orientiere sich auch der Lehrplan.

Das Bildungsministerium begrüßt ausdrücklich den Ansatz der Burgschule in Aschersleben, auch wenn es das Unterrichtsfach Glück so nicht gibt und auch nicht geben wird, wie der Sprecher sagte. Die Auseinandersetzung mit Normen und Werthaltungen und die inhaltliche Auseinandersetzung mit Begriffen wie Glück, Freiheit, Verantwortung oder Gerechtigkeit sei Aufgabe und Bestandteil des Fachunterrichts. Schwerpunkte werden den Angaben zufolge in den Fächern Ethik und Religion gesetzt.

(mz)