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Auszeichnung für Einsatz bei Hochwasser 2002 Auszeichnung für Einsatz bei Hochwasser 2002: Heilsarmee vermittelt Bordellbetten

Von Jochen Miche 09.07.2004, 17:56

Aschersleben/MZ. - Doch beim Stichwort "Bett" leuchten plötzlich seine Augen auf und ein verschmitztes Lächeln umweht seinen Mund. "War da noch etwas anderes?", fragt sein Gesprächspartner. Einen Augenblick lang scheint sich Lohe vor einer Antwort drücken zu wollen, bevor er sich einen Ruck gibt und verrät: "Na ja, unsere Gruppe hat im Bordell geschlafen."

Auf einmal verstummen alle Gespräche im Beratungsraum des Landratsamtes. Selbst Landrätin Heike Brehmer, die eben noch ein angeregtes Gespräch mit Heinrich Feig aus Meisdorf geführt hat, wendet sich nun Lohe zu. Brehmer hatte für diesen Donnerstagabend zur Auszeichnung verdienter Fluthelfer eingeladen. Sie würdigte die Arbeit der ehrenamtlichen Fluthelfer und "ihre Bereitschaft, spontan und ohne Rücksicht auf private Belange zu helfen", wie sie betont.

Im Namen des Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen zeichnete sie Gabriele und Ulrich Feig sowie Bernhard Lohe (alle aus Aschersleben), Uwe und Dieter Göpel (Meisdorf), Manfred Jordan (Reinstedt) und Hilmar Polivka (Staßfurt) mit dem Sächsischen Fluthelfer-Orden 2002, einem attraktiven Entwurf, aus. Ein weiterer Helfer, Joachim Görling aus Groß Börnecke, konnte nur posthum geehrt werden; er ist im vorigen Jahr verstorben. Die Auszeichnungen seien stellvertretend für viele andere bislang nicht genannte Frauen und Männer erfolgt, die im Sommer 2002 den in Not befindlichen Menschen in Sachsen und Sachsen-Anhalt geholfen haben.

Die Familie Feig zum Beispiel war nach Flöha gefahren, um beim Aufräumen zu helfen. Es waren viele Helfer damals unterwegs. Und eine große Zahl Katastrophentouristen. Viele von diesen wurden an der Grenze zu Sachsen wieder heimgeschickt. Ulrich Feig berichtet, wie die Familie mit ihrem Citroén-Minivan, voll mit Schaufeln, Besen, Spaten, Reinigungszeug und sogar einen Entfeuchter, runterfuhr. Sie durften überall passieren - das Werkzeug war die beste Eintrittskarte ins Hochwassergebiet.

Unten erwartete sie ein Bild des Schreckens. "Überall Schlamm und Berge von Müll", erinnert sich Gabriele Feig. Ihr Schwiegervater, der aus Flöha stammt, sagte: "Als Kind habe ich in Flöha oft Hochwasser erlebt. Nicht umsonst zeigt das Wappen von Flöha die Flüsse Tschopau und Flöha - an Ketten gefesselt. Welche Kraft sie entwickeln können, wenn sie losgelassen werden, haben wir gesehen. So etwas habe ich auch als Kind nie erlebt." Er sagte noch: "Wenn man Kühlschränke auf einem Laubendach oder einen vollen Benzinkanister oben im Baum hängen sieht, wird es einem schon anders."

Dieter Göpel, zu Beginn der 90er Jahre Leiter des Freibades des Badelandes Meisdorf, hatte 1994 miterleben müssen, welchen Schaden das Hochwasser der Selke angerichtet hatte. "Das erst zwei Jahre alte Freibad stand der Flutwelle aus dem Selketal regelrecht im Wege. Es wurde unterspült und derart geschädigt, dass es später geschlossen werden musste." Mit dem Bad ging damals letztlich auch seine berufliche Perspektive verloren. Dennoch: Als 2002 Sachsen unter der Flut litt, zögerte er nicht, in Dresden Schlamm zu schippen. Seine zupackende Art hat ihm übrigens schon Jahre zuvor Glück gebracht: Er fand Arbeit im Kurzentrum Bad Suderode.

Ulrich Reder, der stellvertretende Landrat, und Jost Rasche vom Katastrophenschutz des Landkreises, erinnerten auch an den offiziellen Beitrag des Landkreises in Hochwassergebieten. Unter anderem arbeiteten die Kreisstraßenmeisterei in Schönebeck, der Abfallentsorgungsbetrieb des Landkreises in Jeßnitz, und sechs Mitarbeiter der Kreisverwaltung koordinierten Arbeiten im Jerichower Land.

Bernhard Lohe arbeitet zwar auch in der Kreisverwaltung, konkret in der Unteren Denkmalbehörde, doch er war privat im Helfereinsatz. Damals, im August 2002, nahm der 42-Jährige kurzerhand Urlaub und fuhr zunächst mit der Pfadfinderschaft "Phoenix", Quedlinburg, und dem Jugendrotkreuz Aschersleben zum Einsatz nach Magdeburg und Aken. Dann reiste er allein nach Dresden weiter.

In der Elbmetropole wurde er den von der Heilsarmee koordinierten Helfertrupps zugeordnet. Täglich zwischen 8 und 20 Uhr entrümpelten sie Wohnungen, rissen Tapeten von den Wänden und Teppichbeläge von den Fußböden. Wenn Feierabend war, konnte der Kontrast nicht größer sein: Eben noch Möbel voller Schlamm, umgaben sie nun rote Ledermöbel und über dem Bett riesige Spiegel an den Decken.

Der Grund: Das trockene Gebäude, in das sie die Heilsarmee einquartiert hatte, war ein Bordell. Dieses Etablissement wollte auch sein Gutes zu dem feuchten Ereignis tun - und räumte für die Fluthelfer seine Zimmer und Betten. "Die dort sonst arbeiteten, hatten aber dienstfrei", bemerkte mit einem schelmischem Blick Bernhard Lohe.