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Atheist hat die Zeit fest in seinen Händen

Von Regine Lotzmann 01.03.2005, 17:02

Hausneindorf/MZ. - "Das präzise funktioniert", freut sich Wolfgang Schlegel, der Ehemann der zuständigen Pfarrerin.

Die erste Uhr schaffte sich die Hausneindorfer Kirchengemeinde 1840 für 210 Taler an - mit zwei Zifferblättern. Die zweite Turmuhr von der Harzer Firma Weule-Deikmann hatte vier. Sie wurde im Juni 1915 aufgestellt und funktioniert noch heute. 1991, so hat Pfarrerin Gudrun Schlegel in den Kirchen-Unterlagen entdeckt, wurde der Zeitmesser von einem Ilsenburger Uhrmachermeister repariert und instand gesetzt, Zifferblätter und Zeiger überholt und vergoldet.

Stehen geblieben sei die Uhr nur manchmal im Sommer, wenn durch die Hitze irgendetwas klemmte, weiß die Pastorin. "Die Uhr ist etwas anfällig, wenn es warm ist und hohe Luftfeuchtigkeit herrscht", hat auch Gerhard Damm bemerkt, "es reicht der klitzekleinste Widerstand." Das bekommt er auch gleich mit: Denn wenn etwas mit der Uhr nicht stimmt, wird der Hausneindorfer von den Leuten im Ort sofort darauf angesprochen. Zu seinem ehrenamtlichen Job kam Damm eher durch Zufall. Denn eigentlich ist er Atheist, gehört der Kirchengemeinde gar nicht an. "Ich bin ein Hobbyfotograf und habe vor der Wende viel fotografiert", erzählt der 41-Jährige. Pfarrer Richter, der Vorgänger von Pastorin Schlegel, brauchte einige Fotos und sprach ihn deshalb an. Die gewünschten Bilder machte Damm am Wochenende und brachte sie dem Pfarrer dann montags nach der Arbeit. Genau zu der Zeit, wo die Mitglieder der Gemeinde an der Kirche werkelten. Und als es eines Montags zu wenig Leute waren, packte der Handwerker kurzerhand mit an: "Aus Ortsverbundenheit".

Doch als er 1991 als Dachklempner und Schlosser in den Werkstätten für Denkmalpflege angefangen hatte, blieb ihm nicht mehr so viel Zeit fürs Ehrenamt. "Deshalb bot ich mich an, mich um die Uhr zu kümmern." Damit beendete er die Streitigkeiten, wer nun mit dem Aufziehen dran sei und wer nicht. "Auch für das Uhrwerk ist es gut, wenn es immer vom selben aufgezogen wird", meint er. Das läuft acht Tage. Deshalb macht sich der Hausneindorfer jeden Montag nach Feierabend auf in den Turm. Große Anstrengung bedeutet das für ihn nicht. Denn auch beruflich hat er immer hoch oben zu tun, arbeitet sogar oft auf Kirchendächern.

"Ich mache das gern, die Kirchturmuhr gehört zum Ort dazu, viele Leute richten sich danach", nennt er seine Beweggründe und freut sich über den Dank der Pfarrerin. Die ist glücklich, dass jemand die 90-jährige Kostbarkeit so gut betreut und meint gleiches auch für Heteborn. Dort ist es mit Thomas Werner ein Student, der immer sonnabends den Turm der Kirche von Heteborn erklimmt, um der Uhr wieder unüberhörbar Schlag und Stimme zu verleihen.