Aschersleben Aschersleben: Laster aus der Karosse
ASCHERSLEBEN/MZ. - In der "Karosse" wurden nämlich jahrzehntelang Kofferaufbauten auch für diesen Lkw gefertigt, welche man immer noch bei Oldtimertreffen, aber auch noch im Straßenbild sehen kann.
Wie kam es nun zu diesem Fahrzeug? In der sowjetischen Besatzungszone wurde zuerst ein Lkw mit 3 000 Kilogramm Nutzlast in den ehemaligen Horch-Werken mit aus der Kriegsproduktion noch vorhandenen Maybachmotoren gebaut. Dabei entstanden von 1947 bis 1949 noch insgesamt 852 des Lkw H 3.
1950 kam dann als Neuentwicklung der formschöne Lkw H 3A mit 3 500 Kilogramm Nutzlast heraus. Das H stand immer noch für Horch-Werke. Dieser Lkw wurde bis 1958 gebaut. Von Mai bis August 1958 wurde der weiterentwickelte, nunmehr mit einer höheren Nutzlast versehene S 4000 gebaut. Das S stand nun für das inzwischen in Sachsenring umbenannte Horch-Werk. Durch den Einsatz eines zehn PS stärkeren Motors und eines neuen Einheitsgetriebes erhielt das Fahrzeug ab September 1958 die Bezeichnung S 4000-1.
Aber bereits am 16. Oktober 1959 lief der letzte Lkw zugunsten der Trabant-Fertigung in Zwickau vom Band. Die Produktion wurde nach Werdau verlagert. Am 13. Februar 1960 lief dort der erste S 4000-1 vom Band. Bis 1967 zum Ende der Produktion wurden dort über 22 000 Lkw gebaut. Diese wurden in 15 Länder, auch in die BRD, geliefert.
Bereits vor 1957 begann in Zwickau die Weiterentwicklung zum S 4500, welche später in Werdau fortgesetzt wurde. Obwohl dieses Fahrzeug von Industrie und Landwirtschaft dringend benötigt wurde, durfte es auf "Befehl von oben" nicht gebaut werden. Trotzdem wurde in Werdau weitergearbeitet. So entstand - erst auf den Reißbrettern, dann in der Versuchsabteilung - die Weiterentwicklung des S 4000-1 zum W 45L als zivile und der W45 LA als militärische Varianten. Aber die Plankommission lehnte ab, und das Militär übte sich in der Verzögerungstaktik.
Aber die nunmehr sozialistische Landwirtschaft forderte auf dem VII. Deutschen Bauernkongress im März 1962, endlich einen 3,5-Tonnen-Lastwagen bereitzustellen. Dies nutzten die Werdauer Lkw-Hersteller geschickt aus. Bereits drei Tage später wurde ein Angebot für einen Lkw mit 4,5 Tonnen Nutzlast auf der Straße und 3,5 Tonnen im Gelände mit Allradantrieb auf Grundlage der unerlaubt weitergeführten Entwicklung eingereicht.
Nun konnten auch Ministerium und Plankommission nicht mehr umhin, den Lkw zu genehmigen. Am 15. September 1962 verließen die ersten Funktionsmuster des W 45 das Werk. Es handelte sich um einen Kipper (W 45 LAF), einen Pritschenwagen (W 45 LF) und eine Sattelzugmaschine (W 45 LAS) mit einem Pritschenauflieger. Die Fahrzeuge wurden bei der Rübenernte in der LPG "Walter Ulbricht" in Jahna bei Meißen erprobt. Während der Probezeit wurde die Nutzlast um 0,5 Tonnen erhöht, und die Fahrzeuge wurden nun als W 50 bezeichnet (W für Werdau).
Inzwischen hatte man einen jährlichen Produktionsbedarf von rund 20 000 Fahrzeugen errechnet. In Werdau hätten aber maximal die Hälfte hergestellt werden können. Statt dort neu zu bauen, um den Bedarf zu decken, erfolgte der Ministerratsbeschluss am 22. Dezember 1962, das neue Lkw-Werk in Ludwigsfelde zu errichten. Der Produktionsbeginn sollte im Juli 1965 erfolgen, was auch gelang.
Zuerst erfolgte die Produktion eines Pritschen-Lkw, wenig später die Herstellung von Allrad-Lkw als Pritschenfahrzeug (Armee) und als Dreiseitenkipper. Danach wurden auf Normalfahrgestellen die Normalkoffer und 1967 der Isothermkoffer des VEB Karosseriewerk Aschersleben in die Produktion eingeführt. Weitere Aufbauvarianten folgten in den folgenden Jahren, an denen auch die Ascherslebener "Karosse" beteiligt war. Der wohl bekannteste "Aschersleber" war der Werkstattkoffer für W 50 und Anhänger. Wurden viele Koffertypen in Aschersleben gebaut und ausgerüstet, wurden andere Koffer vom Empfänger selbst oder den jeweiligen Herstellern ausgerüstet. Aber auch für W 50-Koffer, wie der W 50 LA / ETK (Ersatzteilkoffer), wurde in Aschersleben der Innenausbau durchgeführt.
Den W 50 gab es als folgende Grundausführung: W 50L (4x2) hinterradgetrieben, W 50LA (4x4) allradgetrieben. Zwei unterschiedliche Radstände (3 200 mm und 3 700 mm) ermöglichten verschiedene Varianten für alle möglichen Zwecke. Es wurden für den W 50 mindestens 60 Grundvarianten und 240 Modifikationen entwickelt.
Einige besondere Exportvarianten wurden noch auf Kundenwunsch durchgeführt. Die im Karosseriewerk Aschersleben produzierten Koffer wurden für verschiedenste Einsatzzwecke zur Verfügung gestellt. Für die Armee wurden in den 1970er Jahren sogenannte LAK (leicht absetzbare Koffer), für den W 50 LA der LAK II mit den verschiedensten Einsatzzwecken, unter anderen auch als Werkzeug- und Funk-LAK hergestellt. Der W 50 wurde in viele Länder exportiert. Bis zur Betriebseinstellung am 17. Dezember 1990 wurden 511 798 Fahrzeuge gefertigt. Davon gingen 422 876 Fahrzeuge in den Export. Davon wiederum 115 421 in das sogenannte nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet. Der W 50 war zu Beginn seiner Produktion ein robustes und vielseitiges Fahrzeug. Sein größter Mangel war der schwache Motor. Weiterentwicklungen wurden "von oben" verhindert. Als ab 1987 die Exportzahlen zurückgingen, war es für neue Entwicklungen zu spät. Die halbherzig endlich genehmigten Mittel reichten dann nur noch zum L 60. Aber diesen ereilte mit der Wende auch das Aus.
Heute produziert Ludwigsfelde Mercedes-Transporter. Den W 50 sieht man nur noch bei einigen Baubetrieben oder in der Landwirtschaft. Bei Oldtimerveranstaltungen sieht man vor allem die in Aschersleben gebauten Koffer und LAK. Übrigens wurden in der "Karosse" nicht nur Fahrzeuge für Sonderbedarfsträger wie Armee, Polizei oder DRK-Rettungszüge gebaut. Etwa 40 Prozent der Fahrzeuge wurden auch für zivile Bereiche gefertigt. Ein großer Teil der in Aschersleben hergestellten Fahrzeuge wurde exportiert.
Die Geschichte der "Karosse" und des Fahrzeugbaus soll demnächst gesondert beleuchtet werden. Der Autor würde sich freuen, wenn Insider Informationen zu dieser Problematik zur Verfügung stellen würden, insbesondere deshalb, weil in der Fachliteratur Aschersleben oft übergangen wird.