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Alte Kupferschatulle gibt Schätze preis

Von Petra Korn 14.09.2007, 19:04

Gatersleben/MZ. - Schwarz, länglich, unspektakulär sieht sie aus: die zylinderförmige, aus Kupferblech bestehende Schatulle, die im Gemeindehaus in Gatersleben auf einem Holzbock steht. Dennoch: Die Stühle im Raum reichen nicht, um allen Interessenten Platz zu bieten. "Ich bin doch ein bisschen überrascht. Da treibt doch die Neugierde, die Spannung, was in der Schatulle drin ist", meint Pfarrer Holger Holtz schmunzelnd.

Dennis Walter greift zur Eisensäge. Der Inhaber der Firma Walter Dach und Bau, die die Reparaturarbeiten am Kirchturm durchführt, und sein Mitarbeiter Wolfgang Junge haben die Aufgabe übernommen, die Schatulle zu öffnen. Wenig später ist es soweit: Dennis Walter hebt den abgesägten Zylinder-Teil ab. Und während viele der Interessenten den Moment im Foto festhalten, kullern aus dem prall gefüllten Inneren der Schatulle als Erstes ein paar Münzen auf den Tisch.

Im Januar hatte Orkan "Kyrill" die Blechabdeckung auf dem Giebel des Turms der Stephanikirche beschädigt und Schieferteile heruntergefegt. Bei den Reparaturarbeiten zeigte sich, dass auch die Kirchturmspitze ganz locker saß. Die Halterungen der rund vier Meter langen Spitze waren völlig durchgerostet. "Das war recht gefährlich", so Holger Holtz. "Wir haben erst gedacht, wir schneiden die Spitze ab. Doch nachdem sie abgeschnitten war, mehrten sich die Stimmen: So ein Kirchturm ohne Spitze, da fehlt etwas ganz Wichtiges oben drauf." Deshalb soll der Turm nun ein neues Kreuz bekommen. "Und es ist üblich", so der Pfarrer, "dass man in die Kugel unter dem Kreuz eine Schatulle einbringt mit Gegenständen aus der Zeit der letzten Öffnung."

Mit Spannung wird aber am Donnerstagabend zunächst erwartet, was wohl in der alten Schatulle - an die erst durch die Wegnahme der Spitze heranzukommen war - steckt. Holger Holtz und Dennis Walter rollen vorsichtig das dicke Papierbündel auseinander. Zum Vorschein kommen unter anderem viele alte, zum Beispiel auf 1738, und 1821 datierte Schriftstücke, Spendenlisten, ein Pfennig von 1868, Zeitungen vom 5. November 1871 und vom 15. Juli 1888 und ein kleiner Kalender aus dem Jahr 1888. Das lässt vermuten, dass die Schatulle 1888 in den Turmknopf gelegt wurde.

Dafür spricht auch das nach einer ersten Sichtung wohl jüngste, handgeschriebene Dokument: ein auf den 16. Juli 1888 datiertes, offenbar von Consitorialrath Wilhelm Hohenthal verfasstes Papier. Hier wird zunächst über jene Nachrichten berichtet, "welche am 26. Mai 1821 bei der Abnahme des Kirchturmknopfes vorgefunden worden sind": zum Beispiel, dass der Kirchturm 1621 neu gebaut wurde, aber schon 1664 durch eine Feuersbrunst eingeäschert und wieder neu aufgebaut wurde. Angefügt wurden auf dem Papier dann die "neuen" Nachrichten: So wird zum Beispiel berichtet, dass am 16. August 1887 "der Grundstein zum Neubau des am 2. Juli 1884 abends nach 7 Uhr durch Blitzschlag zerstörten Thurms gelegt" wurde, und das Wilhelm Hohenthal seit 1883 Ortspfarrer ist.

Die Fülle der Schätze, die sich in der Schatulle befanden, soll nun in Ruhe gesichtet werden. Damit die ganz alten, in altdeutscher Schrift verfassten Papiere auch für die Nachwelt "lesbar" blieben, sollen sie abgeschrieben werden. Eine Nachterstedterin und eine Gaterslebenerin haben sich bereit erklärt, diese Aufgabe zu übernehmen, berichtet Pfarrer Holtz. "Wir werden auch überlegen, ob wir ganz alte Dokumente archivieren und Kopien in die neue Schatulle legen."

Diese neue Schatulle ist bereits in Arbeit. Und sie wird neben den alten Dokumenten noch einiges aus der heutigen Zeit aufnehmen, das Holger Holtz schon bereitgelegt hat. Dazu zählen zum Beispiel ein Bericht, wie es zur Öffnung der alten Schatulle gekommen ist, ein Gemeindebrief und eine MZ vom Donnerstag. Auch Gäste haben schon einiges für die neue Schatulle mitgebracht: Ortschronist Erhard Teichfischer einen Satz Euro- und Centmünzen und Undine Gerstner Material zur 130-jährigen Geschichte des Volkschores. Ebenfalls noch Platz in der Schatulle finden sollen beispielsweise D-Mark und Münzen oder andere Dinge aus DDR-Zeiten, die noch gesucht werden. Ende nächster Woche, so schätzt der Pfarrer, wird die neue Schatulle befüllt.