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Freude an der Musik 93-jähriger Ascherslebener ist mit seiner Geige ältester Musikschüler

Hans Werner hatte als Kind in Erfurt das Geigenspiel erlernt. Was ihn dazu bewogen hat, jetzt in einer Ascherslebener Musikschule seine Kenntnisse noch einmal aufzufrischen.

Von Detlef Anders 09.12.2024, 16:15
Hans Werner hat mit 93 Jahren mit dem Musikschulunterricht begonnen. Er hatte als Kind das Geigenspiel erlernt.
Hans Werner hat mit 93 Jahren mit dem Musikschulunterricht begonnen. Er hatte als Kind das Geigenspiel erlernt. (Foto: Detlef Anders)

Aschersleben/MZ - Volksmusik liegt Hans Werner im Blut. Der Vater spielte Mandoline und Querflöte, die Mutter sang viel. Der Sohn fand in seiner Heimatstadt Erfurt ein Akkordeon. Mit elf Jahren, als der Vater eingezogen wurde, versuchte Hans Werner sich auf dem Instrument des Vaters. „Hänschenklein konnte ich schon.“ Doch der Elfjährige wollte besser werden und beschloss, auf das Konservatorium zu gehen.

Aber die Akkordeonlehrer waren alle jüngere Männer, die an der Front dienten. Ein Klavier konnten sich die Eltern, die in einer Schuhfabrik arbeiteten, nicht leisten. Die Alternative war die Geige. Weil die Eltern keine hatten, stellte ihm das Konservatorium eine Leihgeige. 1942 begann er mit dem Musikschulunterricht.

Geige kommt mit in den Luftschutzkeller

Bei jedem Bombenalarm nahm der Elfjährige die Geige fortan – das war Bedingung der Ausleihe – mit in den Luftschutzkeller. Bis in die Nachkriegsjahre lernte er Violine. Nun, mit 93, ist Hans Werner noch einmal Musikschüler geworden. Der älteste der 250 Schüler in der Helms-Akademie in Aschersleben.

Hans Werner hatte einst Chemielaborant gelernt, später im Fernstudium in Dresden an der Hochschule Chemie studiert. Seit 1960 arbeitete er in Ketzin im ersten Untergrundgasspeicher seiner Art in der DDR. Später kehrte er in seine Heimatstadt zurück, arbeitete noch einmal 20 Jahre beim Gaswerk in Erfurt.

Bei Volksmusikgruppen spielte er eine Weile die Geige. Mit Mitte 20 fehlte die Zeit für regelmäßiges Üben. Das Instrument blieb liegen. Dafür sang Hans Werner in Ketzin im Kirchenchor. Nur ab und zu habe er den Chor mit der Geige begleitet, erzählt der Senior.

Mitsingen im Chor

Nun, im Alter, suchte er mit seiner Partnerin die Nähe zur Familie. In Aschersleben wollten beide vor einem Jahr in ein Heim, das Stephanus-Haus des Diakonischen Werkes im Stephanikirchhof, einziehen. Weil er in der Erfurter Altstadt groß wurde, beeindruckte ihn Ascherslebens Altstadt. Dann verlor er seine zweite Partnerin, zog allein ein.

Bald danach lernte er den kleinen Chor des Hauses kennen und beschloss, dort mitzusingen. „Das war schön“, erinnert er sich. Einmal pro Woche wird seitdem im Kreis der Heimbewohner gesungen. Es gibt eine Gitarrenbegleitung. „Da dachte ich mir, du machst die Geige wieder warm.“

Aber einfach aus dem Kalten heraus will er nicht vor Publikum spielen. Bei der Suche nach einer Musikschule, um die Kenntnisse wieder aufzufrischen, stieß Hans Werner auf die Helms-Akademie. „Ich will nicht in die künstlerische Laufbahn. Nur, dass man die Geige wieder hören kann und sie nicht nur quietscht“, meint er. Einmal pro Woche bekommt er nun Einzelunterricht bei Regina Nast und spielt „Horch, was kommt von draußen rein“. Neben der Musik nennt er das Lesen als Hobby, und schreibt sogar auf dem Laptop manchmal ein paar Texte.