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Worauf es beim Nachhilfeunterricht ankommt

Von Carina Frey 08.10.2008, 08:01

Bielefeld/Berlin/dpa. - Schülernachhilfe ist gefragt: Eltern in Deutschland geben hierfür im Schnitt rund 1500 Euro pro Jahr und Schulkind aus. Bei der Wahl des Anbieters sollten sie aber genau nachfragen.

«Der Markt ist sehr unübersichtlich», sagt Prof. Eiko Jürgens, Schulpädagoge von der Universität Bielefeld. Ähnlich urteilt auch die Stiftung Warentest in Berlin, die gewerbliche Anbieter getestet hat. «Jeder, der etwas Geld zur Verfügung hat, kann hierzulande ein Nachhilfe-Institut eröffnen», heißt es in der Zeitschrift «test». Staatliche Aufsicht finde kaum statt, und auch die Qualitätssicherung stecke noch in den Kinderschuhen.

Den Markt dominieren zwei große Anbieter: die Schülerhilfe und der Studienkreis. Sie arbeiten nach dem Franchise-Prinzip, ein Teil der Schulen ist also selbstständig. «Die bekommen aber Vorgaben und Unterstützung von der Zentrale», sagt Schulpädagoge Prof. Ludwig Haag von der Universität Bayreuth. Einige Fragen zur Nachhilfe im Überblick:

Welche Arten von Nachhilfeunterricht gibt es?

Die Nachhilfe-Institute bieten Einzel- und Gruppenunterricht an. Laut Prof. Haag sind Gruppenkurse sinnvoll, da sich die Teilnehmer gegenseitig motivieren. Das gelte vor allem für Schüler, die ihre Noten über einen längeren Zeitraum verbessern wollen. Brauchen sie nur kurzzeitig Hilfe, weil sie etwa wegen einer Krankheit Lehrstoff verpasst haben, sei Einzelunterricht besser. In Gruppen sollten zudem nicht mehr als fünf Schüler sitzen.

Gibt es eine Einstufung?

Damit Nachhilfelehrer wissen, wo die Defizite der Schüler liegen, ist eine individuelle Einstufung wichtig, erklärt Prof. Jürgens. Doch daran hapert es laut Stiftung Warentest oft. Die Tester schilderten zwölf Anbietern Probleme von Schülern. «Von differenzierter Beratung kann kaum die Rede sein», lautet das Fazit. So sei die Legasthenie einer Schülerin nur in einem Fall erkannt worden.

Wie lange binden sich Eltern?

Die großen Institute bieten laut «test» zwei Probestunden. Die Mindestlaufzeit der Verträge beträgt sechs Monate, danach verlängern sie sich automatisch, ergab eine Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS). Instituts-Direktor Dieter Dohme rät Eltern, eine längere, bezahlte Probezeit zu vereinbaren.

Welche Qualifikation haben die Lehrer?

Das ist die große Frage. Laut der FiBS-Studie gibt es kaum Informationen über die Qualifikation der Lehrkräfte. Auch lässt sich laut Prof. Jürgens nicht sagen, ob Lehrer bei Nachhilfe-Instituten besser geschult sind als ältere Schüler, die Unterricht geben. Das liege nicht zuletzt daran, dass viele Lehrer nur vorübergehend in diesem Bereich arbeiten - etwa um die Zeit bis zum Referendariat zu überbrücken. «Eltern sollten nachfragen, welche Qualifikation der Lehrer hat und wie lange er schon Nachhilfe gibt.»

Gibt es Qualitätskontrollen?

Ja, aber es ist schwierig, hier einen Überblick zu bekommen. Einige Schulen haben ein RAL-Gütezeichen, andere sind vom TÜV Rheinland oder nach der Norm ISO-9001 vom TÜV Nord zertifiziert. Bei Franchise-Firmen muss jede Schule einzeln geprüft werden.

Literatur: Eiko Jürgens, Marius Diekmann: Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Nachhilfeunterricht, Peter Lang, ISBN: 978-3-631-56765-4, 36,90 Euro.

Wissenschaftliche Arbeit zum Thema: www.bmbf.de/pub/sachstand_nachhilfe.pdf

Ob private oder gewerbliche Nachhilfe besser ist, hängt vom Einzelfall ab. Ein älterer Schüler treffe möglicherweise eher die Sprache des Jugendlichen, sagt Prof. Eiko Jürgens, Schulpädagoge von der Universität Bielefeld. Allerdings hätten Schüler meist keine pädagogischen Fachkenntnisse. Dem Unterricht in Nachhilfe-Instituten liegt dagegen in der Regel ein entsprechendes Konzept zugrunde.

Auf dem Nachhilfemarkt tummeln sich laut einer Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin auch unseriöse Anbieter. So werde die Organisation «Applied Scholastics» mit der Scientology in Verbindung gebracht, die von Kritikern als gefährliche Sekte angesehen wird. Und die rechtsextreme Partei NPD verbreite in Sachsen unter dem Deckmantel kostenloser Schülerhilfe ihre Ideologie.