Tourismus Tourismus: Reisepreis nur noch auf Anfrage

Berlin/dpa. - Frühbucherrabatte, Kinderermäßigungen, Last-Minute-Specials und nun auch tagesaktuelle Tarife - die Vielfalt bei Reisepreisen ist inzwischen enorm. Der normale Basispreis scheint immer mehr in den Hintergrund zu geraten, obwohl ihn die meisten Reisenden weiterhin bezahlen: Gut 60 Prozent der Pauschalurlauber buchen zum regulären Katalogpreis, sagt Klaus Laepple, Präsident des Deutschen Reisebüro und Reiseveranstalter Verbandes (DRV) in Berlin. «Berücksichtigt man die Frühbucherrabatte, die ja auch Katalogpreise sind, sind es sogar 70 bis 75 Prozent.» Ob das noch lange so bleiben wird, ist angesichts der neuen Tageskurs-Modelle allerdings ungewiss.
Eingeführt haben den Reisen-Verkauf zum Tageskurs zur Wintersaison 2003/04 die TUI-Luxusmarke Airtours sowie «Neckermann Preisknüller», die Nachfolgermarke von Air Marin im Thomas-Cook-Konzern. Bei Airtours gilt das Prinzip für einen Großteil des Angebots, bei «Neckermann Preisknüller» für etwa zehn Prozent, die als so genannte Extraknüller ausgewiesen sind. Im Katalog steht dabei nur noch ein «Eckpreis». Wie viel der Urlaub für ihn kostet, erfährt der Tourist erst, wenn er im Reisebüro oder Internet seine Buchung tätigt.
Für Karl Born, Ex-TUI-Vorstand und Touristik-Professor an der Hochschule Harz in Wernigerode, hat dieses Modell Zukunft: «Das Spiel von Angebot und Nachfrage wird schließlich mit Katalogen außer Kraft gesetzt. Wer sich ein Jahr im Voraus als Veranstalter festlegen muss, kennt die Konkurrenzpreise noch nicht. Dass sich Reisetrends ändern können, ist in den Katalogen ebenfalls nicht berücksichtigt.» Es bleibe aber eine Herausforderung, tagesaktuelle Preise technisch zu ermöglichen: Die Datenverarbeitung müsse für jedes Hotel im Katalog mehrere Saisonzeiten, Verpflegungsarten, Zimmerkategorien und Abflughäfen berücksichtigen - und das dann jeden Tag aufs Neue.
Insofern hängt die Reisebranche ihre Erwartungen an die Tageskurse erst einmal nicht allzu hoch. Ob Konkurrent Airtours jetzt «100 Chinesen einstellen will, die jeden Tag die neuen Hotelpreise in den Rechner hacken?», fragte sich Dertour-Geschäftsführer Peter Landsberger bei seiner Katalogpräsentation in Prag. Anette Forré, Sprecherin der zur Rewe-Touristik gehörenden Marken ITS, Jahn Reisen und Tjaereborg in Köln, verweist ebenfalls auf den «enormen Kostenaufwand», den ein Wechsel zu Tageskursen mit sich bringen würde: «Alle Preise müssten ständig neu kalkuliert werden. Dafür bräuchte man viele Mitarbeiter.»
Die TUI und Thomas Cook bezeichnen das Vorpreschen ihrer Marken Airtours und «Neckermann Preisknüller» vorsichtig als «Testläufe»: «Wir wissen noch gar nicht, ob der Kunde das so will», sagt Nina Dumbert, Thomas-Cook-Sprecherin in Oberursel (Hessen). Die TUI in Hannover will nach Angaben ihres Sprechers Robin Zimmermann ebenfalls abwarten, wie der Test bei Airtours verläuft: «Dazu wird eine Saison nicht reichen. In den nächsten drei bis fünf Jahren sehe ich daher Tagespreise bei einer Marke wie der TUI nicht.» Und auch wenn es technisch machbar würde, die rund eine Million Preise in den TUI-Katalogen jeden Tag der aktuellen Marktlage anzupassen, sei ja noch gar nicht klar, «ob der Verbraucher auch Preisschwankungen von ein paar hundert Euro für eine Reise mitmachen würde», so Zimmermann.
Für Karl Born ist das Thema noch nicht bis zum Ende gedacht. Tagesaktuelle Preise böten zum Beispiel dem Kunden die Chance, im Reisebüro exakt seine Preisvorstellungen für eine ganz bestimmte Reise zu nennen und die Mitarbeiter zu beauftragen, dann zu buchen, wenn der gewünschte Preis angeboten wird. Der Reisen-Verkauf liefe dann ab wie der Wertpapierhandel an der Börse. «Vielleicht in fünf bis sechs Jahren werden wir so weit sein», erwartet der Experte. Ohnehin seien Tageskurse eine Möglichkeit für die Reisebüros, sich stärker als Berater ihrer Kunden zu profilieren, indem sie Licht ins «Preis-Dickicht» bringen. Denn eines ist klar: Für die Touristen brächte das neue Modell mehr Verunsicherung, weil sie nicht mehr so einfach die Kataloge nebeneinander legen und vergleichen könnten.
Dass die großen Reiseveranstalter schon zur Sommersaison 2004 die Tageskurs-Angebote ausbauen, werde «mit Sicherheit nicht» geschehen, legt sich DRV-Chef Laepple fest. Aus seiner Sicht wird die klassische Pauschalreise mit festem Katalogpreis weiterhin den Schwerpunkt der Programme bilden. «Denn viele Leute wollen vor allem ein ordentliches Hotel mit gescheiter Verpflegung an einem schönen Strand.»
Grundsätzlich passen die Tageskurse aber durchaus zu den Bemühungen der Branche, ihr Angebot stärker der Nachfrage anzupassen statt weiter mit Last-Minute-Preisen zu versuchen, diese Nachfrage erst zu schaffen. Insofern könnten Tagespreise tatsächlich die Frühbucherrabatte als wichtigstes Mittel gegen die vielen Last-Minute-Preise ablösen.
Einstweilen aber setzen die Veranstalter weiter auf die Rabatte für schnell Entschlossene. Eine Ausnahme ist Öger Tours in Hamburg, das die Ermäßigungen gerade wieder abschafft. Und auch DRV-Präsident Laepple sähe es lieber, wenn nicht allein über den Preis versucht würde, die Deutschen zu frühzeitigen Buchungen zu animieren: Kostenfreie Sitzplatzwahl im Flugzeug, mehr Freigepäck, die besten Zimmer im Hotel und die besten Tische im Restaurant, Anwendungen im Wellnessbereich und ein Mietwagen für einige Tage gratis - mehr solcher Anreize sollten die Veranstalter den Frühbuchern bieten, meint Laepple. Denn darüber redeten die Urlauber dann untereinander - das bringe mehr, als es nur über den Preis zu versuchen. Am Ende habe der Last-Minute-Urlauber schließlich doch meist einen ähnlichen Preis bezahlt wie bei einem Frühbucherrabatt.
Unterstützung für diese Position erhält Laepple von Peter Aderhold, Geschäftsführer der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R) in Kiel, der es für «ziemlich hoffnungslos» hält, nur über Rabatte das Buchungsverhalten der Touristen ändern zu wollen: Die Deutschen hätten es in der Vergangenheit einfach gelernt, dass man «auch bei später Buchung noch ein günstiges Angebot bekommt».