1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Technik: Technik: Uhren-Fälschungen werden immer raffinierter

Technik Technik: Uhren-Fälschungen werden immer raffinierter

Von Tobias Wiethoff 24.10.2003, 11:43
Original (links) und Fälschung (rechts) - auf den ersten Blick ist kaum ein Unterschied festzustellen. (Foto: dpa)
Original (links) und Fälschung (rechts) - auf den ersten Blick ist kaum ein Unterschied festzustellen. (Foto: dpa) Lavori Verlag

Biel/Freiburg/dpa. - Krisenzeiten sind keine goldenen Zeiten für Luxusprodukte: 60 675 Uhren aus Edelmetall wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden 2002 hier zu Lande verkauft. Auch wenn derzeit nicht mehr so viele Menschen Geld für einen noblen Zeitmesser übrig haben, muss auf das Statussymbol am Handgelenk nicht verzichtet werden. Seit Jahren boomt der weltweite Handel mit Uhrenfälschungen.

«Wir schätzen, dass auf jede produzierte echte Uhr eine falsche kommt», sagt Markus von Burg vom Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie in Biel. Bisher waren die Imitationen meist von bescheidener Qualität und landeten nach einigen Einsätzen als Partygag in der Schublade. Doch der Markt ist professioneller geworden: Neben den traditionellen Favoriten Rolex, Cartier oder Gucci werden nun selbst Uhren ausgefallener Marken gefälscht. Zu den Abnehmern der Plagiate gehört nicht mehr nur der klassische Pauschaltourist. «Auch Kenner verfallen zunehmend dem Reiz, etwas Verbotenes zu tun», sagt der Marketingexperte Michele Birmelin aus Freiburg.

Birmelin hat jüngst ein Buch zu dem Thema veröffentlicht. Es trägt den Titel «Gefälschte Armbanduhren - schnell erkannt» (ISBN 3-935737-45-9) und versteht sich als Beitrag zur Fälschungsbekämpfung. Käufer müssen vor Markenpiraten nämlich kaum geschützt werden - sie suchen in der Regel gezielt nach Fälschungen. Birmelin setzt beim außenstehenden Beobachter an: «Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage nach den Uhren in dem Maße zurückgeht, wie das Risiko der Enttarnung steigt.»

Doch die Fälscher haben erkannt, dass ihre Kunden bereit sind, für gute Arbeit mehr Geld zu bezahlen. «Die Qualität ist besser geworden», räumt von Burg ein. Michele Birmelin hat Rolex-Imitationen untersucht, die in Taiwan und Hongkong für 150 Euro, im Internet sogar für bis zu 1000 Euro den Besitzer wechseln. «Sie verfügen über ein vergleichsweise hochwertiges Automatikwerk, Saphirglas, bestehen aus Edelstahl und sind wasserdicht.» Eine solche Uhr lässt sich also nicht mehr daran erkennen, dass ihr Sekundenzeiger - wie bei Quartzwerken üblich - springt statt fließt.

Allgemein gilt laut Birmelin: «Die Qualitätsunterschiede zwischen Original und Fälschung sind nicht so groß wie die Preisunterschiede.» Man muss die Käufer also bei der Ehre packen. Schließlich unterstützen sie eine kriminelle Schattenwirtschaft, die nach ähnlichen Regeln funktioniert wie der Drogenmarkt. Juristische Konsequenzen müssen Endabnehmer selbst nicht befürchten. «Der private Erwerb gefälschter Uhren ist nicht strafbar», sagt Sönke Ahrens, Partner der internationalen Rechtsanwaltssozietät Lovells in Düsseldorf.

Gegen gewerbsmäßige Händler bringt Ahrens dagegen für seine Mandanten - meist Industrieunternehmen - die ganze Wucht des Gesetzes in Anschlag. Wer erwischt wird, muss eine Unterlassungserklärung abgeben, seine Bezugsquellen offen legen und saftigen Schadenersatz leisten. In jüngster Zeit hat Ahrens verstärkt Internet-Plattformen wie Ebay im Auge. Nach Birmelins Erfahrung finden vor allem Edel-Fälschungen online ihre Abnehmer: «Auf der Straße kriegt man die meistens gar nicht.»

Zwar stellte im vergangenen Jahr das Landgericht Düsseldorf klar, dass Ebay nicht dafür haftet, wenn Nutzer gefälschte Uhren zum Verkauf anbieten (Az.: 4a O 464/01) . «Aber wir haben natürlich ein Interesse daran, dass der Marktplatz sauber bleibt», sagt Sprecher Joachim M. Guentert. Wer bei Ebay eine echte Uhr ersteigern möchte, kann den so genannten Treuhand-Service in Anspruch nehmen. Er ermöglicht einen kritischen Blick auf die ersteigerte Uhr, bevor das Geld endgültig an den Anbieter geht.