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Sterbehilfe Sterbehilfe: Konkrete Verfügung schützt den Patienten

Von CLAUDIA LEHNEN 04.07.2010, 13:16

Mit einem Grundsatzurteil zur Sterbehilfe hat der Bundesgerichtshof das Selbstbestimmungsrecht von Patienten gestärkt. Ärzte dürfen demnach auch dann lebensverlängernde Maßnahmen abbrechen, wenn der unmittelbare Sterbevorgang noch nicht begonnen hat. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Abbruch durch aktive Handlungen erfolgt, also beispielsweise das Entfernen eines Ernährungsschlauchs. Entscheidend sei allein der Wille des Patienten. Die MZ erklärt Wissenswertes nach dem bedeutungsvollen Urteil:

Was muss ich tun, wenn ich nach einer Krankheit nicht bis zum Ende des Lebens an Maschinen hängen möchte?

In einer Patientenverfügung kann festgeschrieben werden, was Ärzte tun sollen, falls ich mich einmal selbst nicht äußern kann. Eine solche Verfügung muss sehr konkret sein. Ich muss genau sagen, was ich in welcher Situation will und was nicht. Eine vorherige Beratung beim Hausarzt oder der Deutschen Hospiz Stiftung ist daher zu empfehlen. "Erst wenn ich weiß, was eine Krankheit bewirkt, welche Therapiemöglichkeiten es eventuell gibt, kann ich eine aufgeklärte Entscheidung treffen", sagt Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutschen Hospiz Stiftung.

Wie kann ich vermeiden, dass ein anderer über mein Leben entscheidet?

Die einzige Möglichkeit ist, eine konkrete Patientenverfügung zu verfassen. Liegt keine vor, müssen Bevollmächtigte und Ärzte den mutmaßlichen Willen des Patienten ermitteln. Das kann nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes gefährlich einfach geschehen, warnt Eugen Brysch. "Wenn ein Betreuer sagt: Der Patient habe in einem Vier-Augen-Gespräch geäußert, dass er nicht mehr leben will, wenn er an Schläuchen hängt, dann reicht das dem Urteil gemäß aus, um passive Sterbehilfe auszuüben."

Kann es nicht sein, dass ich heute anders über lebenserhaltende Maßnahmen denke, als wenn es ernst wird?

Natürlich. Zusätzlich zur Patientenverfügung ist deshalb eine Vorsorgevollmacht sinnvoll. In ihr kann festgelegt werden, wer entscheiden darf, wenn ich selbst dazu nicht mehr in der Lage bin. Manchen Menschen ist es zudem lieber, wenn Angehörige, denen sie vertrauen, nochmal über die genaue Situation nachdenken. "Vielleicht kündigt sich beispielsweise ein Enkelkind an, von dem der Patient noch nicht weiß, und die Angehörigen sind der Ansicht, der Patient sollte die Möglichkeit haben, die Geburt noch mitzuerleben", sagt Claudia Kaminski vom Malteser Hilfsdienst.

Kann ich alle möglichen Szenarien in einer solchen Verfügung durchspielen?

Nach einer Beratung ist das durchaus möglich. Die Anzahl der Szenarien ist nach Aussagen von Brysch überschaubar. Es geht hauptsächlich um organische Schäden, Gehirnschäden, Demenzerkrankungen und um Wachkoma. Zudem müssen die Fragen geklärt werden, ob Aussicht auf Besserung besteht und wie die jeweilige Lebenssituation genau aussehen könnte. Auch über die Sterbebegleitung kann man sich vorab Gedanken machen. "Manche Patienten haben große Angst davor, zu verdursten. Dann kann schriftlich festgelegt werden, dass dies in jedem Fall zu vermeiden ist", sagt Hilke Buchholz von der Arbeiterwohlfahrt.

Darf ich die Maschinen eines Angehörigen abschalten lassen, wenn keine Patientenverfügung vorliegt?

Wenn Arzt und Angehörige sich über den mutmaßlichen Willen der Patientin einig sind, ja. Sollte der Arzt gegen passive Sterbehilfe stimmen, muss das Betreuungsgericht eingeschaltet werden. Hier wird entschieden, was zu tun ist. Liegt eine eindeutige Patientenverfügung vor, macht sich der behandelnde Arzt strafbar, wenn er ihr nicht folgt.

Ist aktive Sterbehilfe nun erlaubt?

Nein, aktive Sterbehilfe bleibt verboten. "Das Urteil öffnet nicht die Tür für aktive Sterbehilfe", sagt Eugen Brysch. Sterbehilfe-Vereine bleiben in Deutschland weiter verboten. Giftspritzen oder ärztlich assistierter Suizid sind nicht erlaubt.