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Schuhe Schuhe: «Dr. Martens» in Bayern erfunden

Von Britta Gürke 29.06.2010, 07:20
Ein Mann hat im «Punk-Shop» in Mainz neben seine «Dr. Martens»-Schuhe eine Baby-Version gestellt. (FOTO: DPA)
Ein Mann hat im «Punk-Shop» in Mainz neben seine «Dr. Martens»-Schuhe eine Baby-Version gestellt. (FOTO: DPA) dpa

London/dpa. - Zeige mir Deine Schuhe, und ich sage Dir, wer Dubist - so einfach ist das bei «Docs» nicht. Denn über die Jahrzehntekonnten die derben Boots mit der Luftpolster-Sohle ein Zeichen seinfür Punks und Glamrocker, Grunge- und Britpop-Anbeter, Skinheads undFriedensaktivisten. Manchmal machte nur die Farbe des Schnürsenkelsden kleinen Unterschied. Eigentlich waren die Bequemschuhe ausGroßbritannien für harte Arbeit designt worden. Wie fast kein anderesKleidungsstück aber stiegen sie über die Jahre zum Kultgegenstandauf. Was wenigen bekannt ist: Erfunden wurden sie in Bayern.

«Über die letzten 50 Jahre waren Dr. Martens Arbeitskleidung undSchuhe für die Schule, sie wurden von Polizisten und Punks, Skinheadsund politischen Aktivisten getragen», sagte Josephine Hickin vomMuseum und der Kunstgalerie im englischen Northampton zur Eröffnungeiner Ausstellung über den Schuh. «Sie haben gleichzeitig sowohlModen und Gegenmoden repräsentiert. Es gibt keine andere Schuh-Marke,die so einen starken Beitrag zur britischen Kultur geleistet hat.Ihre Geschichte ist faszinierend.»

Und diese Geschichte beginnt in Deutschland. Weil er wegen einerVerletzung nicht mehr in seinen unbequemen Armeestiefeln laufenwollte, entwickelte der Militärarzt Dr. Klaus Maertens um 1945 inSeeshaupt am Starnberger See die Luftpolster-Sohle. Zusammen mitseinem Freund Herbert Funck übte er sich schon früh im Recycling,denn für die Sohlen holten sie sich unter anderem weggeworfenes Gummivon Flugplätzen der Luftwaffe. 1947 stand der Prototyp des späterenKultschuhs erstmals in München im Geschäft. Damals war das praktischeLaufwerk vor allem bei Hausfrauen beliebt.

Nach einigen Jahren tat sich Maertens mit der Schuhfabrikanten-Familie Griggs aus Northampton zusammen. Gefunden hatten sich dieGeschäftspartner laut offizieller Historie des Unternehmens über eineZeitungsanzeige. Den Aufstieg der Marke «Dr. Martens» allerdingshätte sich wohl niemand erträumt, als die Schuhe im April 1960 inEngland in Großproduktion gingen. Maertens hatte sie vorher nochmalvon Grund auf überarbeitet und ihnen ihr heute bekanntes Designgegeben.

Anfangs kauften Postboten, Fabrikarbeiter und Transport-Gewerkschaften die Stiefel zu Tausenden. Skinheads waren die erstenVertreter einer Subkultur, die die Marke für sich entdeckten. VomEnde der 1960er Jahre an nahmen sie dann die unterschiedlichstenJugendbewegungen in ihr Kleidungsrepertoire auf. Farben, Formen, Höheund Design änderten sich, als charakteristisches Merkmal aber bliebdie gelbe Naht, mit der die Schuhe bis heute an die Sohle genähtwerden.

Weil die Botschaft, die ein «Doc» am Fuß vermitteln sollte, baldnicht mehr eindeutig war, gingen die Träger ins Detail. «Die Leuteentwickelten einen Farb-Code für die Schnürsenkel», heißt es in einerHistorie aus der britischen Zeitung «Independent». Weiß zum Beispielwar die Farbe der Rassisten, Rot stand für politisch linksorientiert.

Geschäftlich gab es immer wieder Höhen und Tiefen. Um dieJahrtausendwende erreichte die Marke, die zum britischen UnternehmenAirWair International gehört, einen Umsatzzenit von jährlich um die260 Millionen Pfund (317 Millionen Euro). Bis heute wurden weltweitmehr als 100 Millionen Paare verkauft, von denen es längst auchandere Modelle als die bekannten Boots gibt. In den vergangenenJahren gab es einen Einbruch, einzelne Läden mussten schließen. Seiteiniger Zeit werden Trendsetter wie Madonnas Tochter Lourdes oder dasbritische Model Agyness Deyn aber wieder mit «Docs» gesehen.

Die Firma selber kann sich den Kultstatus ihrer Treter nacheigenen Angaben auch nicht wirklich erklären. «Es ist einfachpassiert», hieß es dort.