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Schnelle Speise Schnelle Speise: Auf die Dose - fertig - los!

Von Frank Rumpf 26.07.2005, 14:39
Im Alltag in Ordnung, für das schicke Abendessen jedoch tabu: Bei der Zubereitungs eines Candlelight-Dinners sollte der schnelle Weg über die Konservendose besser vermieden werden. (Foto: dpa)
Im Alltag in Ordnung, für das schicke Abendessen jedoch tabu: Bei der Zubereitungs eines Candlelight-Dinners sollte der schnelle Weg über die Konservendose besser vermieden werden. (Foto: dpa) Bonduelle

Bonn/Aachen/dpa. - Konservendosen gibt es seit fast 200 Jahren, 1810 erfunden vom Engländer Peter Durand. Sein Verdienst ist es, erst den Köchinnen der Insel und dann der ganzen Welt eine Vielzahl von Lebensmitteln jederzeit verfügbar und stapelfähig gemacht zu haben.

Als Ergänzung in der Küche und Notration sind Dosen «sinnvoll und nützlich», findet Angelika Grözinger, Präsidentin des Deutschen Hausfrauen-Bundes in Bonn. Sie ist für diese Anfrage eigens in ihren Keller hinabgestiegen und hat von Hamburger Krebssuppe über Erbsen und Möhrchen bis zu Konfitüren einen «guten Bestand an Konserven» zu vermelden. Dass Dosen praktisch sind, sei klar. «Auch ich bin froh, wenn ich mal nicht so viel Arbeit habe.»

Doch aus Dosen lässt sich noch mehr machen als Behelfsmahlzeiten, findet die Ernährungsautorin Dagmar von Cramm. Ihr neues Kochbuch «Auf die Dose - fertig - los!» soll Konserven-Essen auch aus dem Keller des Renommees holen. Sie zielt vor allem auf den Kochnachwuchs zwischen 18 und 30 Jahren. Ihm verspricht das Buch geringsten Aufwandbei maximalem Ergebnis. «Rezepte für Clevere» eben, wie auf dem Titelsteht.

Die Rezepte klingen fast nach Feinschmecker-Niveau: Saltimboccamit Thunfisch, chinesische Schweinekoteletts, Entenbrust aufAnanas-Rotkraut, Schokoladen-Ananas-Auflauf und Tiramisu mitMandarinen. Der Aufwand ist begrenzt auf höchstens 30 Minuten, Back-und Kühlzeiten außen vor gelassen. Die Zutaten beschränken sich aufein übersichtliches Dutzend, etwa für die italienisch inspiriertePesto-Platte, in der eine Dose Bohnen, eine Dose Ölsardinen und eineDose Artischocken stecken, Salat, Tomaten, Möhren sind frisch.

Damit könnte auch ein schickes Abendessen für den Chef oder einLiebesmahl bei Kerzenschein bestritten werden? «Bloß das nicht!»,ruft Wolfgang Stein, leidenschaftlicher Koch von Beruf undVorstandsmitglied im Verband der Köche Deutschlands (VKD) inFrankfurt/Main. Er warnt nicht nur, weil die peinliche Frage kommenkönnte: «Wie haben Sie denn dieses Gazpacho gemacht?», und derHobbykoch dann stumm auf zwei leere Dosen Tomaten und Gemüsemischungzeigen müsste. «Mit einem solchen Mahl will man eine bestimmteEntscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen.» Es wäre falsch, dafürin der Küche den schnellen und «cleveren» Weg zu nehmen.

Der im Saarland mit Nähe zur feinen französischen Küche großgewordene Stein sorgt sich aber nicht nur um kulinarischeAusnahmesituationen. Auch im Alltag wäre es für ihn ein «Alptraum»,immer häufiger Dosenessen und andere Fertiggerichte aufgetischt zubekommen. «Wir sind auf dem Weg zum industriell vorgegebenenEinheitsgeschmack.» Demnach haben schon jetzt viele LeuteSchwierigkeiten, mit den vier Grundrichtungen süß, salzig, sauer undbitter umzugehen. Oft sieht Stein, dass Gäste zum Salzstreuergreifen, bevor sie überhaupt einen Bissen gekostet haben.

Bedenken äußert auch Margret Morlo, Diätassistentin vom VerbandErnährung und Diätetik (VFED) in Aachen. Sie verwendet Mais,Thunfisch oder Bohnen aus der Dose, «weil es dazu kaum noch eineAlternative gibt». Am liebsten würde sie jedoch auf Dosen-Produkteverzichten. Durch das Erhitzen zwecks Haltbarmachung und der teilsrecht langen Lagerung sei der Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffenim Vergleich zum Naturprodukt oder zu Tiefkühlware oft geringer.«Wenn man mit Konserven kocht, gehört immer etwas Frisches dazu», rätMorlo. Gemüse etwa, Vollkornbrot oder ein Obstsalat hinterher.

Dem hält die Unternehmensinitiative «Die Dosenköche» mit Sitz inFrankfurt/Main eine Studie entgegen. In ihrem Auftrag fanden dasInstitut für Lebensmittelqualität in Willich und die FachhochschuleNiederrhein in Mönchengladbach heraus, dass der Vitamingehalt inLeipziger Allerlei oder Erbseneintopf aus der Dose dank heutigerKonservierungsmethoden sich nur unwesentlich von Vergleichsgerichtenunterscheidet, die mit Zutaten aus dem Supermarkt oder vomWochenmarkt bereitet wurden.

In weiten Teilen der Gastronomie und in Betriebsküchen wird sichder Trend zu konservierten Produkten ohnehin nicht mehr umkehrenlassen, schätzt Stein. Schon aus Kostengründen. Umso wichtiger findeter, dass wenigstens am privaten Herd das Kochen mit frischen Zutatennicht vollends verlernt wird.

«Es geht um unsere Genussfähigkeit», sagt Stein. Er zitiert denkulinarisch bewanderten Autor Gero von Randow, der behauptet, jederMensch werde als Genießer geboren. Die Fähigkeit,Geschmackserlebnisse zu suchen und zu goutieren, «verfeinert sich imLauf des Lebens, oder sie stumpft mangels Übung ab», sagt Stein.

Literatur: Dagmar von Cramm, Auf die Dose - fertig - los!,Eichborn-Verlag, ISBN: 3-8218-4911-8, 14,95 Euro.

Von Mais über Thunfisch bis zur Krebssuppe: Zutaten aus der Dose können beim Kochen viel Arbeit sparen - sie sollten aber durch frische Lebensmittel ergänzt werden. (Foto: dpa)
Von Mais über Thunfisch bis zur Krebssuppe: Zutaten aus der Dose können beim Kochen viel Arbeit sparen - sie sollten aber durch frische Lebensmittel ergänzt werden. (Foto: dpa)
Jens Schierenbeck