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Spanien Spanien: Ziegeninsel ohne Ziegen - Naturidyll Cabrera

Von Manuel Meyer 02.11.2010, 10:22
Viel Gestein, viel Natur und kaum Touristen - die spanische Insel Cabrera ist noch ein kleiner Geheimtipp für Ausflügler. (FOTO: DPA)
Viel Gestein, viel Natur und kaum Touristen - die spanische Insel Cabrera ist noch ein kleiner Geheimtipp für Ausflügler. (FOTO: DPA) dpa-tmn

Palma de Mallorca/dpa. - Auf Cabrera gibt es auf den erstenBlick nicht viel: Ein Restaurant, ein kleines Museum, eine Burg, einpaar Häuser. Keinen Flughafen, keine Autos, kein Hotel. Dafür vielgeschützte Natur. «Hier sieht es noch aus wie auf Mallorca vor 100Jahren», sagt Toni Villalón.

Als müsse er seinen Vergleich beweisen, zeigt der Skipper immerwieder auf die unbebaute Küste und hält das Boot in menschenleerenBuchten an, damit die Gäste sich im türkisblauen Wasser abkühlenkönnen. «Cabrera ist sogar für viele Mallorquiner eine völligunbekannte Insel», sagt Toni. «Sie wissen zwar, wo sie liegt.Dagewesen aber sind nur die wenigsten von ihnen.»

Eigentlich handelt es sich nicht nur um eine Insel, sonderngleich um ein ganzes Archipel mit 19 Inselchen, die zusammen den«Nationalpark Cabrera-Archipel» bilden. Es ist der einzigeNationalpark der Balearen und neben den galicischen Atlantik-Inselnauch der einzige See- und Landnationalpark Spaniens. Die InselgruppeCabrera trennte sich erst vor 15 000 Jahren von Mallorca ab.

Die «Ziegeninsel», die ihren Namen den allesfressenden Tierenverdankt, ist mit 17 Quadratkilometern die größte und auch einzigebewohnte Insel des Archipels. Ziegen gibt es hier jetzt keine mehr,da sie das sensible Ökosystem zerstören würden. Dafür aber leben aufder kleinen Insel viele andere Tiere, von denen einige sogarendemisch, also nur hier vorzufinden sind.

Skipper Toni hält erneut das Boot an und zeigt auf dieSteilklippen. Zunächst ist nicht klar, was die dunklen Flecken obenan der 30 Meter hohen Felswand sein sollen, auf die er hinweist. Alssich ein Fischadler nähert, erkennt man, dass der dunkle Fleck einNest sein muss. Auch Eleonoren-, Wander- und Turmfalken stürzen hieran den Klippen immer wieder in die Tiefe, um kleine Vögel, Insektenund Fische zu jagen.

Viele seltene Seevögel wie Sturmschwalben oder Sardengrasmückenbrüten hier. Die riesigen Kolonien von Korallen- und Weißkopfmöwen,Krähenscharben und Balearischen Sturmtauchern beeindrucken. «Cabreraist ein wahres Paradies für Ornithologen», sagt Toni. «Sobald hierauch noch die Zugvögel entlang kommen, um auf der abgeschiedenenInsel Zwischenstation zu machen, fühlt man sich fast wie in 'DieVögel' von Alfred Hitchcock.»

Im einzigen Hafen der Insel wartet bereits Parkwächter BielServera auf die Besucher. Nach vorheriger Anmeldung geben dieParkwächter im Hafen «Es Port» nicht nur Informationen über denNationalpark und registrieren Besucher, sondern begleiten Wandererauch kostenlos.

Einer der schönsten Wanderwege führt vom Hafenkai zum elfKilometer entfernten Leuchtturm von Ensiola, von wo aus man einenherrlichen Blick über fast die gesamte Inselgruppe hat. Bis zu 50Meter fallen hier die Steilklippen ins Meer ab. Ein andererWanderweg führt zum Aussichtspunkt La Miranda mit der Höhle CovaBlanca. Auf dem Weg kommt man am ethnographischen Museum «Es Celler»vorbei. «Celler» bedeutet auf katalanisch Weinkeller oder Bodega.Bevor die Insel 1991 zum Nationalpark erklärt wurde, baute hier eineinheimischer Bauer arg trockenen Weißwein an, erklärt ParkwächterBiel und verzieht das Gesicht, als hätte er den Wein gerade probiert.

Das Museum stellt Keramik und phönizische Amphoren aus. Doch auchganz normale Alltagsgegenstände der Einheimischen aus dem 19. und20. Jahrhundert wie Fischernetze, Körbe und Geräte für dieFeldarbeit werden hier gezeigt. In der ehemaligen Bodega erfahrenBesucher auch interessante Dinge über die Geschichte der Insel.

Vom 1. bis zum 6. Jahrhundert nutzten die Römer die Insel alsZwischenstopp auf dem Weg zum spanischen Festland oder nachMallorca. Sie waren es auch, die hier die Ziegen ansiedelten. Sohatten sie immer etwas zu essen, wenn sie auf die Inselzurückkehrten. Nach ihnen kamen die Mauren, die ab dem 9.Jahrhundert fast die gesamte iberische Halbinsel unter ihrerKontrolle hatten. «Jahrzehntelang wohnten auch Mönche auf der Insel,die sich irgendwann gegen die kirchliche Obrigkeit auflehnten, zurRebellion übergingen und zum Schluss etwas verwirrt nackt am Strandtanzten», erzählt Biel.

Die Einsamkeit ist auf der Insel häufig ein schweres Los. Dasweiß auch Parkwächter Biel. Seit 1993 sei er nach Cabrera«verbannt», scherzt er. «Man muss die Einsamkeit wirklich mögen, umhier arbeiten zu können», so der 45-Jährige. Im Sommer kämen 50bis 60 Personen pro Tag auf die Insel, mehr dürfen es nicht sein.«Doch zwischen Herbst und Frühling siehst Du hier wochenlangniemanden.» Wenigstens keine neuen Gesichter, verbessert er sich.

Vom Hafen aus führt Biel die Besucher hinauf zum Castillo. DieWanderung dauert eine knappe halbe Stunde. Majestätisch thront dieBurg auf einem Felsvorsprung über dem Hafeneingang. Errichtet wurdesie Ende des 14. Jahrhunderts, um die Mallorquiner vorPiratenangriffen zu schützen - und die Insel selbst wieder unterKontrolle zu bekommen. Denn jahrzehntelang war Cabrera als«Pirateninsel» bekannt. Noch bis weit ins 20. Jahrhundertversteckten Schmuggler auf dem Eiland ihre Ware.

Sogar der spanische Diktator Franco machte sich Cabrera zunutze.Er wollte nicht, dass die Alliierten mitbekamen, dass erNazi-Deutschland mit Penicillin versorgte. So schaffte er dieAntibiotika auf das vergessene Inselchen im Mittelmeer, wo deutscheU-Boote die Medizin dann unauffällig abholten. Auch nach dem Tod desGeneralísimo war Cabrera bis weit in die 80er Jahren Militärgebiet.

Franco war nicht der erste spanische Herrscher, der die Insel fürmilitärische Zwecke missbrauchte. Bereits im 19. Jahrhundert brachtedie spanische Krone während des Unabhängigkeitskrieges gegenNapoleon 9000 französische Kriegsgefangene nach Cabrera und überließdie Männer dort fünf Jahre ihrem Schicksal. Es waren Gefangene, diebei der Schlacht im südspanischen Bailén in die Hände der Spaniergerieten und zwischen 1809 und 1811 auf das jetzt als«Gefängnisinsel» bekannte Cabrera gebracht wurden. «Es überlebtendamals nur 3600 Gefangene», sagt Biel auf dem Weg zumFranzosen-Denkmal.

Biel kennt die Insel wie kaum ein anderer. Auf den Wanderungenzeigt er immer wieder auf seltene Pflanzenarten. Es gibt auf Cabreraalleine 30 endemische Pflanzen. Obwohl die Flora mit rund 600verschiedenen Pflanzenarten sehr reich ist, herrscht auf der Inselwegen des wenigen Regens, des starken Windes und einerDurchschnittstemperatur von 18 Grad eher eine karstig mediterraneStrauchlandschaft vor. Wilde Ölbäume, Phönizischer Wacholder,Rosmarin, strauchartiger Wolfsmilch und Zitronenklee bestimmen dieLandschaft.

Beeindruckend auf den Wanderungen ist neben den Ausblicken aufdie Steilküste vor allem die riesige Zahl von Eidechsen, die immerwieder den Weg kreuzen. Viele Arten dieser Reptilien findet man nurhier. Im Park leben nordafrikanische Ginsterkatzen, Wildkaninchenund drei einheimische Fledermausarten.

Noch artenreicher geht es unter Wasser zu. Kein Wunder, macht dasMeer doch rund 90 Prozent der Nationalparkfläche aus. Zackenbarsche,Muränen, Steckmuscheln, Delfine und sogar im Mittelmeer bedrohteTiere wie Seeschildkröten und Wale sind hier zu finden. In denunzähligen Unterwasserhöhlen haben sich viele seltene Fische undKorallen angesiedelt. Wassersport und Sportfischerei sind imNationalpark verboten, die Zahl der Segelboote ist stark beschränkt.Nur wenige Fischer dürfen mit ihren traditionellen Booten fischen.

Somit hat sich im Meer um Cabrera eine Unterwasserwelt erhalten,wie sie vor den anderen Mittelmeerinseln schon lange nicht mehranzutreffen ist. Der berühmte spanische Naturforscher FélixRodríguez de la Fuente verglich die Unterwasserwelt Cabreras einstmit dem «Mittelmeer des Ulysses, eine Stunde von Palma entfernt».

So ist Cabrera heute auch ein wahres Schnorchel- undTauchparadies. Spektakulär sind neben den Unterwasserhöhlen auch dieUnterwasserklippen, die abrupt bis auf 90 Meter abfallen. Dergeringe Niederschlag auf der Insel und das Fehlen von Flüssenbewirken zudem, dass so gut wie keine Sedimente ins Meer gespültwerden. Dadurch hat man beim Tauchen Sichtweiten von bis zu 50Metern.

Interessante Tauchgebiete befinden sich an der Punta de sa Cordaund an der Cala Galiota. Doch muss man keinen Tauchschein haben, umdie Unterwasserwelt Cabreras zu genießen. Schon beim Schnorcheln ander Playa S'Espalmador sieht man große Fischschwärme. Besondersspektakulär ist das Schnorcheln in der Cova Azul, der blauen Grotte.Alle Ausflugsboote halten hier auf dem Rückweg nach Colònia de SantJordi an der Südküste Mallorcas.

Auch Skipper Toni steuert sein kleines Boot tief in die Höhlehinein. Es ist stockdunkel. Doch sobald sich die Augen an dieDunkelheit gewöhnt haben und man zum Höhlenausgang schaut, beginntdas Schauspiel aus Licht und Farben. Es handelt sich vielmehr umeine einzige Farbe - Curaçao-Blau. Beim Schnorcheln und Schwimmenwirkt die Farbe noch unwirklicher, man weiß gar nicht, wasspannender ist - das Farbspiel oder die Fische. An der«Kaninchen-Insel» vorbei geht es abends wieder zurück ins zehnKilometer entfernte Colònia de Sant Jordi. Wie bestellt kreuzenDutzende Delfine den Weg und springen aus dem Wasser.

Im Mittelmeer und direkter Nachbarschaft zu Mallorca: die Insel Cabrera. (GRAFIK: DPA)
Im Mittelmeer und direkter Nachbarschaft zu Mallorca: die Insel Cabrera. (GRAFIK: DPA)
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