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Schifffahrt Schifffahrt: Zum grünen Licht

Von EKKEHART EICHLER 27.01.2011, 17:36

Halle (Saale)/MZ. - Am fünften Tag endlich ertönt das ersehnte Kommando: "Nordlicht auf ein Uhr" meldet Reiseleiter Marco gegen halb zehn über die Bordlautsprecher von MS "Nordkapp". Fortan gibt es kein Halten mehr. So gut wie jeder der über 300 Passagiere schnappt sich Jacke, Mütze und Handschuhe und stürzt sich ins Getümmel - das Schauspiel will keiner verpassen.

Draußen hat die Natur in nachtwinterlicher Polarkreis-Eiseskälte ein Spektakel vorbereitet. Nicht mal der Verdacht eines Wölkchens trübt die Sicht zwischen Erde und tiefblauem Himmel. Sterne und Mond leuchten in einer Klarheit, dass einem beim Anblick fast schwindlig wird. Und als hätte Aladin besonders kräftig an der Wunderlampe gerieben, steigt hinter wilden Bergen ein grünlichgrauer Dschinn auf. Ein langsam waberndes Flimmern, das sich zum mächtigen Streif auswächst.

Hier also, eine Schiffsstunde nördlich von Tromsø, grüßt die sagenhafte Aurora borealis in voller Schönheit. Für die meisten an Bord etwas grundsätzlich Neues, doch auch alte Hasen wie Fotofuchs Henry, der diese Reise bereits zum sechsten Mal im Winter macht, ist hingerissen. Der rüstige Westfale schießt begeistert ein Bild nach dem anderen.

Aurora borealis, Morgenröte des Nordens, taufte der Franzose Pierre Gassend im 17. Jahrhundert dieses Schauspiel, das den Menschen des Nordens stets ein Mirakel war und für die Wissenschaft ein faszinierendes Forschungsobjekt. Heute sind die Geheimnisse des Polarlichts weitgehend entschlüsselt. Man weiß, dass sich das Phänomen an den magnetischen Feldlinien der Erde ausrichtet und in Höhen von 90 bis 500 Kilometer abspielt. Was sich dort oben meist als grüne, aber auch rote, violette und blaue Kaskaden, Vorhänge, Streifen, Bögen und Bänder zeigt, ist die Strahlung des Sonnenwindes, die vom Magnetfeld der Erde "eingesaugt" wird. Die Atmosphäre der Polkappen bremst diese Teilchen ab, ihre Energie wird als Licht wieder abgestrahlt.

Aber auch ohne das Sahnehäubchen Polarlicht ist die Torte einer winterlichen Hurtigruten-Reise überaus gehaltvoll. Da sind die weiß bestreuten und Schnee verzuckerten Berg- und Felsenkulissen, die an Steuerbord fast immer und an Backbord ziemlich häufig Spalier stehen. Da ist das diffuse und mystische Licht der tiefstehenden Wintersonne, das sich besonders morgens und abends dramatisch durch Bergkettenlücken und Wolkenbänke bohrt. Da gibt es extreme Passagen wie den engen Stokksund. Da sind nicht zuletzt die kleinen Häfen und großen Städte, in denen die elf Hurtigruten-Schiffe stets pünktlich an- und ablegen.

Elf Tage dauert die Reise von Bergen nach Kirkenes und wieder retour. Der Fahrplan ist zudem so gestrickt, dass auf dem Rückweg am Tage erlebt wird, was auf dem Hinweg in den Nächten unsichtbar blieb; Lofoten-Wand, Trollfjord und Raftsund zum Beispiel sieht man erst auf dem Rückweg am Tag neun. Und: Stehen auf der Route gen Norden die Städte im Focus, ist es südwärts die raue und wilde Natur des norwegischen Nordens.

Über alle Sehenswürdigkeiten hält Nordkap-Bordreiseleiter Marco Voigtländer die Passagiere auf dem Laufenden - in Norwegisch, Englisch und Deutsch. Der eloquente Thüringer ist zuständig für Ausflüge, Tagespläne, Brückenbesuche, Events wie die Polarkreistaufe sowie sämtliche Durchsagen. Er fungiert außerdem als Verbindungsglied zwischen Crew und Passagieren, ist Mädchen für alles und hat ein offenes Ohr für jeden.

Eine Stunde etwa hat die schöne Aurora ihr Schauspiel aufgeführt und in mehreren Akten einige ihrer Gesichter gezeigt: Schlingen, Schleifen, Schlieren und Wirbel, deren einzige Konstante das sanfte Verschmelzen ineinander ist. Bis irgendwann der großen Götterfackel schließlich der Saft ausgeht und sie vom Himmel verschwindet.