1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Recht: Recht: Mobbing vor Gericht

Recht Recht: Mobbing vor Gericht

05.12.2002, 09:13

Erfurt/dpa. - Früher machten Menschen, die sich von Kollegen schikaniert fühlten, ihren Kummer oft mit sich selbst aus: Sie sprachen kaum noch, wurden krank oder wechselten den Arbeitsplatz. Heute gehen immer mehr Beschäftigte vor Gericht, wenn sie sich als Mobbing-Opfer sehen. Doch in der Praxis haben die Betroffenen oft Beweisschwierigkeiten, denn bloße Behauptungen reichen vor Gericht nicht aus.

Rund 800 000 Beschäftigte sind nach Schätzungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund von Mobbing betroffen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt nennt Mobbing «das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte» (Az.: 7 ABR 14/96). Ähnlich urteilten die Landesarbeitsgerichte Thüringen (Az.: 5 Sa 403/00), Rheinland-Pfalz (Az.: 5 Sa 521/01) und Schleswig-Holstein (Az.: 3 Sa 1/ 02).

Beschäftigte, die unter systematischen Anfeindungen leiden, können - zumindest in der Theorie - Hilfe vom Arbeitgeber beanspruchen. Denn dieser ist verpflichtet, Mobbing zu verhindern. Diese Auffassung legte beispielsweise das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in einem entsprechenden Urteil dar (Az.: 16a Sa 1391/99). Das Thüringer Landesarbeitsgericht sieht hier sogar den Staat in der Pflicht (Az.: 5 Sa 102/00).

Kann oder will auch der Arbeitgeber nicht helfen, zieht mittlerweile so mancher tatsächlich oder vermeintlich Gemobbte vor Gericht. Doch wer ohne handfeste Beweise kommt, hat kaum Chancen, den Prozess zu gewinnen. Das gilt etwa dann, wenn Beschäftigte pauschal behaupten, «Mobbing-Aktionen» ausgesetzt zu sein. Ein entsprechendes Urteil fällte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az.: 5 Sa 521/01). Auch ein ärztliches Attest, in dem lediglich steht, der Arbeitnehmer sei auf Grund massiven Mobbings erkrankt, ist kein hinreichender Beweis, entschied das LAG Baden-Württemberg (Az.: 15 Sa 106/00).

Ähnlich lag der Fall bei einem 35-jährigen Arbeiter, der seinen Kollegen vorwarf, sie hätten unter seine Milch Rattengift gemischt. Er bat um seine Versetzung. Als der Arbeitgeber dem nicht entsprach, nahm der Mann eigenmächtig Urlaub - und erhielt die fristlose Kündigung. Zu Recht, urteilte das Landesarbeitsgericht Frankfurt: Er habe die Mobbing-Vorwürfe nicht beweisen können (Az.: 7 Sa 535/97).

Bei vielen Gerichten hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die wirksamste Bekämpfung von Mobbing ohnehin darin liegt, es erst gar nicht soweit kommen zu lassen. Hier sieht das Bundesarbeitsgericht ein Betätigungsfeld für den Betriebs- oder Personalrat (Az.: 7 ABR 14/96). Darauf gestützt urteilte das Arbeitsgericht Detmold, ein Betriebsrat habe schon dann Anspruch auf Freistellung für ein Mobbing-Seminar, wenn erste Anzeichen für Schikanen gegenüber einzelnen Mitarbeitern vorliegen. Der Betriebsrat müsse nicht warten, bis sich Mobbing in vollem Umfang auswirke (Az.: 3 BV 3/98). Diese Auffassung vertraten auch die Arbeitsgerichte Kiel (Az.: H 5d BV 41/96) und Oldenburg (Az.: 1 BVGa 5/95).

Dagegen urteilte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zurückhaltender: Eine Schulung sei nur dann notwendig, wenn ein konkreter Anlass in Form von Mobbing vorhanden oder zumindest sicher zu erwarten sei (Az.: 8 (4) TaBV 38/95). Nach Meinung des Bundesarbeitsgerichtes muss der Betriebsrat zumindest eine «betriebliche Konfliktlage» darlegen können (Az.: 7 ABR 14/96).

Als eines der ersten deutschen Arbeitsgerichte hatte das Arbeitsgericht Ludwigshafen einem Mobbing-Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von seinerzeit knapp 52 000 Mark zugebilligt und sich dabei an dessen Monatseinkommen orientiert (Az.: 1 Ca 2136/00).

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz meinte allerdings, Maßstab für die Bemessung des Schmerzensgeldes könnten nur das Gewicht der Handlungen und deren Folgen für den Geschädigten sein. Die Richter reduzierten daher den Betrag auf 15 000 Mark (Az.: 6 Sa 415/01). Im konkreten Fall war dem Kläger, einem Bankdirektor, nach der Fusion seiner Bank weder eine angemessene Beschäftigung noch eine akzeptable Büroausstattung gegeben worden.

Das so genannte Opferentschädigungsgesetz können Mobbing-Opfer nur selten mit Erfolg bemühen. Das Bundessozialgericht in Kassel entschied, dass Ansprüche aus diesem Gesetz nur dann in Frage kommen, wenn das Mobbing-Opfer auch tätlichen Angriffen durch Kollegen ausgesetzt gewesen ist (Az.: B 9 VG 4/00 R). Zuvor hatte bereits das Landessozialgericht Baden-Württemberg diese Auffassung vertreten (Az.: L 6 VG 2334/97).