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Politik für alle: Jugendliche wollen beteiligt sein

Von Monika Hillemacher 09.10.2009, 11:04

Offenbach/dpa. - Dragana Gavric will mehr. Sie will mitreden in der Politik. Der 16-Jährigen genügt nicht, Anträge zu formulieren und auf Umwegen den Stadtpolitikern zuzuleiten.

«Direkte Mitsprache. Gefragt und gehört» zu werden verlangt die Vorsitzende des Kinder- und Jugendparlaments (KJP) in Offenbach. Immer dann, wenn es um Belange von Kindern geht, um Schulen, Spielplätze, Freizeitangebote oder Buslinien. Die Konferenz «OF-mytown» zeigte Offenbacher Jugendlichen ab zehn Jahren, wie Altersgenossen in anderen Städten mitmischen.

In Kassel etwa. Dort gibt es seit 1997 ein verbrieftes Mitspracherecht und in Ämtern einen Kinderbeauftragten. Die Kinder werden an Projekten beteiligt. Ihre Anliegen zu erkunden, ist Aufgabe des Spielmobils «Rote Rübe». «Es fährt zu Treffpunkten, die Mitarbeiter erfragen die Wünsche», berichtete die Kinder- und Jugendbeauftragte Bettina Malorny. Als die Stadt jüngst Pausenhöfe mit 500 000 Euro aus dem Konjunkturpaket II sanierte, geschah dies in Absprache zwischen Schulamt und jungen Bürgern. Bei solchen Gesprächen sitzen Beamte und Kinder zusammen.

Damit löst das Modell ein Hauptproblem: Den fehlenden Kontakt zwischen beiden Gruppen. «Die kommen bisher gar nicht zusammen. Es hapert an direkter Verständigung», stellte Offenbachs Bürgermeisterin Birgit Simon (Bündnis90/Grüne) mit Blick auf ihr eigenes Rathaus fest. Die Mitinitiarorin der Tagung benennt das Thema, das die Jugendlichen neben dem «Nicht gefragt werden» wohl mit am heftigsten wurmt.

Für Streitfälle gibt es in Kassel Foren, in denen gemeinsam Kompromisse gesucht werden. Oft geht es um Straßenverkehr und Freizeitaktivitäten. Derzeit diskutieren die Nordhessen mit der Landesverwaltung über ihre «Dirtbiker»: Die Radfahrer bauen im Wald Dreckhügel, um sie als Sprungschanze zu nutzen. «Die Kinder finden das fantastisch. Die Landesverwaltung hat damit Schwierigkeiten» sagte Malorny. Eingeladene Politiker und Beamte müssen Farbe bekennen. Denn «Kinder durchblicken sehr schnell, wer quasselt und wer handelt.»

In der Schweizer Bundeshauptstadt Bern steht das Kinderparlament jedem offen, der mitmachen will. Gut 500 Kinder zwischen 8 und 13 Jahren kommen im Schnitt zu den Sitzungen, so der Leiter des Kinderbüros, Peter Schnyder. Teilnehmen ohne Wahl kam bei den Offenbachern, deren 96 KJP-Delegierte von Schülern bestimmt werden, gut an. Ebenso die Verleihung von Preisen für Kinderfreundlichkeit und -unfreundlichkeit. Den einen erhielt bereits Ex-UN-Generalsekretär Kofi Annan, den ehemaligen amerikanischen Präsidenten George Bush bedachten die Berner mit der Negativauszeichnung. Das Parlament verfügt über ein Budget von umgerechnet 25 000 Euro pro Jahr, die Kollegen aus Offenbach haben knapp 5000 Euro.

Auch in der Zusammenarbeit sind die Schweizer voraus. Das Kinderparlament stellt Anträge an die Stadtregierung, Jugendliche ab 14 Jahren haben das Recht, Vorschläge als «Jugendmotion» direkt in den Gemeinderat zu bringen. Diese Möglichkeiten gefiel den Offenbachern ebenso die wöchentliche Radiosendezeit, die Jugendbotschaftern in Den Haag zusteht. «Das ideale Beteiligungsmodell suchen wir noch», meinte Dragana Gravic nach der stundenlangen Debatte. Bis dahin machen es die Jugendlichen wie die Erwachsenen: Sie gründen Arbeitsgruppen.