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Paradoxe Regelung Paradoxe Regelung: Putzhilfen auch ohne Beiträge unfallversichert

Von Tobias Wiethoff 21.01.2004, 10:44
Ein als Haushaltshilfe tätige Frau putzt ein Fenster. Ein großer Teil der in Deutschland beschäftigten Haushaltshilfen arbeitet schwarz. (Archivfoto: dpa)
Ein als Haushaltshilfe tätige Frau putzt ein Fenster. Ein großer Teil der in Deutschland beschäftigten Haushaltshilfen arbeitet schwarz. (Archivfoto: dpa) DSH

München/dpa. - Die Drohung der Bundesregierung, Schwarzarbeit von Putzhilfen im Haushalt künftig als Straftat zu behandeln, hat bei der Minijob-Zentrale der Bundesknappschaft zu einer Flut von Neuanmeldungen geführt. Nicht anders sieht es bei den gesetzlichen Unfallkassen aus: «Bei uns haben sich die Zahlen versechsfacht», sagt Klaus Potthoff vom Bayerischen Gemeindeunfallversicherungsverband in München. Dabei ist die Frage der Unfallversicherung von den Plänen gar nicht berührt. Stattdessen gilt sogar eine Regelung, die auf den ersten Blick erstaunt: Putzhilfen sind auch dann unfallversichert, wenn ihr Auftraggeber für ihre Tätigkeit gar keine Abgaben bezahlt.

Dass die Behandlungskosten und bei Berufsunfähigkeit sogar Rentenzahlungen bis zum Lebensende an einem Arbeitgeber hängen bleiben, der schwarz arbeiten ließ, legt der gesunde Menschenverstand eigentlich nahe. Doch das Paradoxe der gegenwärtigen Rechtslage ist: Es verhält sich gar nicht so. Wer seine Putzhilfe unversichert lässt, hat nur vergleichsweise geringe Nachzahlungen zu befürchten - ein Umstand, der viele Bürger weiterhin dazu verführen könnte, von ihrer Meldepflicht abzusehen. Den Unfallkassen wäre es deshalb auch am liebsten, wenn nichts davon an die Öffentlichkeit dringt.

Alle in Privathaushalten beschäftigten Personen sind nach dem siebten Sozialgesetzbuch gesetzlich unfallversichert. Das gilt unabhängig von der Frage, ob der Haushalt entsprechende Beiträge abführt oder nicht - und selbst für den Fall, dass die Putzhilfe sich illegal in Deutschland aufhält. «Diese Regelung dient dem Schutz der Beschäftigten», erläutert Potthoff.

Wenn es zu einem Unfall kommt, muss der Haushaltsvorstand nur die einbehaltenen Leistungen nachzahlen - und das sind keine großen Summen angesichts von Jahresbeiträgen, die je nach Unfallkasse bei 20 bis 90 Euro liegen. Die Kosten, die auf die Kasse zukommen, können dagegen ins Astronomische anwachsen: «Wir müssen mit allen möglichen Mitteln rehabilitieren: medizinisch, beruflich, sozial», sagt Thomas Picht vom Rheinischen Gemeindeunfallversicherungsverband in Düsseldorf. «Ab einer 20-prozentigen Minderung der Erwerbstätigkeit wird zudem eine Rente bezahlt.»

Den Arbeitgeber können die Unfallkassen dafür nur in Regress nehmen, wenn er den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. «Andernfalls werden die Kosten auf die Solidargemeinschaft aller Einzahler umgelegt», so Klaus Potthoff. «Ein ehrlicher Haushalt ist also doppelt gestraft.»

Die Unfallkassen haben zwar zusätzlich die Möglichkeit, ein Bußgeld von 2500 Euro zu verhängen. Aber davon wird kaum Gebrauch gemacht: «Wir haben diese Summe noch nie verlangt», sagt Klaudia Gottheit von der Landesunfallkasse Hamburg.

Ertappte müssen nicht einmal damit rechnen, wegen der übrigen hinterzogenen Sozialabgaben zur Rechenschaft gezogen zu werden: Die Unfallkassen reichen ihre Daten nicht an die Minijob-Zentrale oder die Finanz- und Arbeitsämter weiter. Das gilt im übrigen nicht nur bei einem Unfall, sondern schon bei der Anmeldung, weshalb viele Haushalte den halblegalen Mittelweg wählen: Meldung bei der Unfallkasse ja, Abgaben für Renten- und Krankenversicherung nein.

Doch allzu sicher sollten sich Arbeitgeber trotzdem nicht fühlen. Die illegale Beschäftigung fliegt auf, wenn die Polizei bei einem schweren Unfall von sich aus tätig wird. Gleiches kann passieren, wenn das Opfer in einem anderen Arbeitsverhältnis krankenversichert ist. «Dann kommen mehrere Nachzahlungen und Ordnungswidrigkeiten zusammen, und das läppert sich», warnt Potthoff. Trotzdem findet er für die gegenwärtige Rechtslage nur ein Wort: «unbefriedigend».

Die von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) geplante Bestrafung von Schwarzarbeit in Haushalten hat zu einen Ansturm auf die Minijob-Zentrale geführt. Täglich gehen mehr als 20 000 Anrufe von verunsicherten und verängstigten privaten Arbeitgebern und nicht gemeldeten Haushaltshilfen im Service Center der Zentrale ein, berichtete die Bundesknappschaft in Essen. Sonst seien es weniger als die Hälfte. Die Anrufer wollten sich informieren oder gleich anmelden. Ein Anruf im Service Center oder der Klick ins Internet ziehen zumindest keine Nachprüfung in den Haushalten nach sich. «Bestrafung ist nicht unsere Sache», betonte Müller. «Wir wollen informieren und helfen.» (Grafik: dpa)
Die von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) geplante Bestrafung von Schwarzarbeit in Haushalten hat zu einen Ansturm auf die Minijob-Zentrale geführt. Täglich gehen mehr als 20 000 Anrufe von verunsicherten und verängstigten privaten Arbeitgebern und nicht gemeldeten Haushaltshilfen im Service Center der Zentrale ein, berichtete die Bundesknappschaft in Essen. Sonst seien es weniger als die Hälfte. Die Anrufer wollten sich informieren oder gleich anmelden. Ein Anruf im Service Center oder der Klick ins Internet ziehen zumindest keine Nachprüfung in den Haushalten nach sich. «Bestrafung ist nicht unsere Sache», betonte Müller. «Wir wollen informieren und helfen.» (Grafik: dpa)
dpa