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Liebe Liebe: Zusammenleben im Alter neu gestalten

Von Thorsten Wiese 07.04.2006, 15:20

Karlsruhe/Detmold/dpa. - "Es liegt natürlich der Gedanke nahe, dass er die freie Zeit in den Haushalt einbringt", sagt Psychotherapeutin Ulrike Ullmann. Oft schade das aber mehr als es nutze, denn damit würden "Hoheitsgebiete" gestört, erläutert die Leiterin der Eheberatungsstelle von Pro Familia in Karlsruhe.

"Der Pensionär ist ein König, der in das Reich einer Königin eintritt", ergänzt Psychotherapeut und Eheberater Traugott Schall aus Detmold. Der Mann sollte darauf achten, nicht zu sehr in "ihre" Sphäre einzudringen. Umgekehrt sollte die Partnerin sich Mühe geben, den Mann zu Hause willkommen zu heißen. Männern falle es meist schwer, die freie Zeit mit neuen Aufgaben zu gestalten. Plötzlich fehle der tägliche Rhythmus, die Identifikation über den Beruf, sagt Ullmann. Für die Beziehung sei "kein Input von außen" mehr da.

Nicht selten führt das zu Beziehungsproblemen. Immer mehr Seniorenpaare suchen in Eheberatungen einen Weg aus gemeinsamen

Krisen, erklärt Ullmann. Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden belegen das. Zwar werden wenige Ehen im Ruhestandsalter geschieden - die Raten sind in den vergangenen Jahren aber gestiegen. Ließen sich vor zehn Jahren noch 259 Paare im Alter zwischen 65 und 70 Jahren scheiden, waren es 2003 bereits 485, ein Jahr später 645.

"Die neue Nähe kann eine Menge ungelöste Probleme auf den Tisch bringen", sagt Schall. Meist wolle einer der Partner mehr Nähe als der andere. Im Ruhestand müssen Paare ein neues Gleichgewicht finden. Dazu sollten beide überlegen, welche Gewohnheiten und Rituale der Beziehung gut tun und welche auf den Prüfstand gehören.

"Dazu braucht es viel Austausch", sagt Ullmann. Und es brauche bis zu einem Jahr Zeit, die Paare sich nehmen sollten. Laut Schall kommt es darauf an, "gemeinsame Ressourcen" zu nutzen. "Was haben sie denn gern zusammen gemacht, als sie sich kennen gelernt haben?" Paare sollten versuchen, an diese gemeinsamen Interessen anzuknüpfen. Ob Sport, Lesen, Kino oder Theater: Die eine "richtige" Idee oder Tätigkeit gibt es nicht. "Manche gehen gemeinsam in den Zoo, machen Spaziergänge oder gehen sogar zum Fußball", sagt Alterstherapeut Hartwig Wennemar aus Marienheide.

Gut seien Unternehmungen in einer Gruppe. Wandern, Reisen, Sprachkurse, bei denen sich das Paar gegenseitig die Vokabeln abhören kann: "Da zieht man an einem Strang", sagt Ullmann. Ausflüge und Ferien, die gemeinsame Planung erfordern, eignen sich ebenfalls. "Da kann man sich annähern, und das Erlebte schafft neue Gemeinsamkeiten", erläutert Wennemar.

"Alte Liebe rostet nicht", sagt Schall. "Sie muss aber mit Leben gefüllt werden." Sonst ende das so, wie es bisweilen in Cafés mitanzusehen sei, warnt Wennemar. "Viele ältere Paare gehen sehr wohl miteinander aus. Sie sitzen dann aber nur da und schweigen sich an."

Literaturtipp: Bettina von Kleist: Wenn der Wecker nicht mehr klingelt, Ch. Links Verlag, ISBN 3-86153-394-4,

Preis 14,90 Euro