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Infos zum «Bettschisser»: Die Sprache der Winzer verstehen

Von Marc Strehler 02.10.2007, 08:15

Kaiserslautern/dpa. - Die Sprache der Winzer kann recht derb sein: «Bettschisser» nennen die Weinbauern in Ebernburg an der Nahe (Kreis Bad Kreuznach) eine Weißweinrebsorte. Wer deren Trauben isst, muss sich sputen, es rechtzeitig zur Toilette zu schaffen.

Das Wörterbuch der deutschen Winzersprache umschreibt das ganze wissenschaftlich: Die Bezeichnung komme von der «laxierenden», also abführenden, Wirkung der Sorte. Ein kleines Forscherteam in Kaiserslautern arbeitet an dem Wörterbuch, dass etwa 18 000 Einträge umfassen und voraussichtlich 2011 fertig sein wird. Gefördert wird das Projekt von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz.

Das Wörterbuch soll eine Sprache dokumentieren, in der viele Bezeichnungen verloren zu gehen drohen, was zum Beispiel an den sich wandelnden Arbeitsabläufen liegt. Eine Fachsprache mit vielen Facetten: «Die Winzersprache ist sehr stark vom Dialekt geprägt», sagt Maria Besse, die Leiterin des für das Projekt verantwortlichen Büros in Kaiserslautern. Ein Laie versteht oft nur Bahnhof: Was verbirgt sich hinter einem Zwinkel, einem Knuppert, einem Doldenrackel oder einem Hargaul? Im Wörterbuch erfährt der Leser etwa, wo diese Bezeichnungen gängig sind oder waren.

Bei ihrer Arbeit nutzen die promovierte Romanistin Besse und ihr Kollege Roland Puhl einen wahren Schatz aus den 80er Jahren als Grundlage. Damals hatten Studenten mit dem Tonband hunderte deutschsprachige Winzer aus mehr als 20 europäischen Staaten besucht. Das Untersuchungsgebiet reicht von Luxemburg bis zum Kaukasus, von Sachsen bis Südtirol. Entlang eines Fragebogens ließen sich die Studenten von den Winzern die verschiedenen Bezeichnungen nennen und erläutern.

Auf den Bändern hört man die Winzerinnen und Winzer in ihrem jeweiligen Dialekt alle möglichen Dinge rund um das Thema Wein und Weinbau erklären - von den Rebsorten über die benötigten Gegenstände bis hin zur Frage, wie man die Folgen übermäßigen Weingenusses in der jeweiligen Region nennt. Mehr als 300 Tonbänder, jedes davon vier bis fünf Stunden lang, haben die Wissenschaftler in Kaiserslautern ausgewertet. Erschließt sich ein Begriff nicht sofort, dann heißt es recherchieren. Das ist nicht immer einfach: «Die Winzersprache wird fast nur mündlich überliefert», erläutert Besse.

Die Akademie der Wissenschaften sieht in dem Projekt einen Beitrag zur Wahrung des kulturellen Erbes. Das Geld dafür kommt vor allem vom Bund und von Rheinland-Pfalz, auch der Bezirksverband Pfalz gibt einen Zuschuss. Wer nicht bis zur Fertigstellung des voraussichtlich dreibändigen Wörterbuches warten will, kann sich Vorabversionen auf CD oder DVD bestellen, von denen es bislang zwei gibt.

Im Internet bieten die Forscher außerdem ein Online-Wörterbuch, mit dessen Hilfe der Nutzer die manchmal auch recht wunderliche Welt des Weins erkunden kann. Zu einigen Einträgen haben Besse und ihr Team Fotos gestellt und auch Hörbeiträge von den Originaltonbändern. Klickt man etwa auf das Stichwort «Grobe», dann kann man hören, wie sich eine offenkundig gesellige Runde von Winzern im fränkischen Ramsthal über diese Weißweinrebsorte unterhält, die auch als Elbling bekannt ist. Die Trauben des «Groben» haben mit dem «Bettschisser» etwas gemeinsam: Auch sie sollen die Verdauung kräftig in Schwung bringen. «Es hat nicht lange gedauert, dann hat man gestunken», erzählt ein Winzer frohgemut auf dem Band.

Online-Wörterbuch: www.winzersprache.de