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Teil 18: Die Masern Gesundes Sachsen-Anhalt Teil 18: Die Masern - Dr. Christine Gröger aus Halle erklärt die tödliche Krankheit

Von Bärbel Böttcher 01.07.2016, 19:51
Der Tropfen eines Impfstoffs glänzt an der Spitze der Spritze.
Der Tropfen eines Impfstoffs glänzt an der Spitze der Spritze. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Es gibt Krankheiten, die können trotz des medizinischen Fortschritts auch heute noch sehr schwer verlaufen oder mit dramatischen und sogar tödlichen Komplikationen einhergehen“, sagt Dr. Christine Gröger, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit der Stadt Halle. „Masern gehören ganz sicher dazu“, betont die Ärztin.

Um sie auszurotten, müssten nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 95 Prozent der Bevölkerung dagegen geimpft sein. Das ist aber beispielsweise bei halleschen Kindern nicht der Fall. Hier hatten nur 89 Prozent der Mädchen und Jungen des Einschulungsjahrgangs 2015 einen vollständigen Impfschutz. Andere Landkreise waren da besser.

Bei den Schuluntersuchungen in den dritten  beziehungsweise sechsten Klassen, die in Sachsen-Anhalt gesetzlich vorgeschrieben sind, waren es 2015 dann zwar schon 91 Prozent. „Aber leider immer noch nicht 95“, resümiert Gröger. Und natürlich gibt es auch Impflücken bei den Erwachsenen. Deshalb kommt es - nicht nur in Halle - immer wieder zu sogenannten Masern-Ausbrüchen. In der Saalestadt liegt der jüngste erst ein Jahr zurück. 40 Masern-Fälle wurden damals erfasst. Betroffen gewesen seien vor allem Kinder ab einem Alter von zwölf Jahren, sagt Gröger. Alle ungeimpft.

Die Erkrankungswelle führte zu einer der größten Aktionen, die das Gesundheitsamt jemals gestartet hat. Die Arbeit seiner Mitarbeiter ähnelte in jenen Tagen zwischen Februar und Juni 2015 der von Detektiven. „Laut Infektionsschutzgesetz (IfsG) müssen wir bei Masernerkrankungen Ermittlungen aufnehmen, da es sich um eine meldepflichtige Erkrankung nach Paragraf 6 des IfsG, handelt“, erklärt die Amtsärztin.

Zunächst gelte es herauszufinden, wer zu den Erkrankten Kontakt hatte. In einem zweiten Schritt müsse dann festgestellt werden, ob bei den Kontaktpersonen ein Impfschutz vorliegt, ob sie Geschwister haben, die ihrerseits wieder Kontakt zu anderen gehabt haben könnten. „Das ist mitunter eine sehr lange Kaskade“, sagt Gröger. Allein an einer betroffenen sehr großen Schule der Stadt seien damals 700 Impfausweise kontrolliert worden.

Ziel des Ganzen ist es, ungeimpfte und unvollständig geimpfte Kontaktpersonen, die sich möglicherweise angesteckt haben, herauszufinden und ihnen den Besuch der Schule/Gemeinschaftseinrichtung (§ 34 IfsG) für eine gewisse Zeit zu untersagen. „Es geht darum, die Infektionskette zu unterbrechen“, erklärt Gröger.

Was passiert, wenn es in der Klasse oder Gruppe ein an Masern erkranktes Kind gibt?

Wenn jemand ungeimpft ist, nur unvollständigen Impfschutz aufweist oder gar keinen Impfausweis vorlegen kann, erfolgt laut Paragraf 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes eine Anhörung der Eltern. Sie werden aufgefordert, sich innerhalb einer Frist, in diesem Fall 24 Stunden, beim Gesundheitsamt zu äußern - telefonisch, per Mail oder Fax. Oder auch den Impfausweis nachzureichen.

„Den Eltern wird in dem Schreiben gleichzeitig mitgeteilt, dass es in der Klasse oder Gruppe ein an Masern erkranktes Kind gibt, zu dem ein Kontakt vermutet wird, und dass für ihr eigenes Kind in diesen 24 Stunden, in denen die Angelegenheit geklärt wird, ein Schulbetretungsverbot gilt“, sagt die Amtsärztin.

Wir lassen unsere Kinder komplett impfen. Ich finde das wichtig. Viele Krankheiten kommen wieder, weil Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. Ich finde das nicht gut. Und deswegen machen wir das alles.  Nach den Impfungen gab es mal Fieber. Ich denke aber, die Nebenwirkungen sind deutlich geringer als der Schaden, den das Nichtimpfen haben könnte.

Meine Kinder sind skeptisch. Ich bin es auch. Zu allen Medikamenten gibt es einen Beipackzettel.  Bei einer Impfung gibt es den nicht. Sie wissen gar nicht, was der Impfstoff enthält. Möglicherweise sind Stoffe drin, die nicht gesund sind. Ich habe von Aluminium gehört. Ich glaube, dass man der Pharmaindustrie heutzutage nicht mehr so über den Weg trauen kann.

Meine Freundin studiert Medizin. Wir sind der Wissenschaft zugewandt und stehen positiv zum Thema Impfen. Die Kleine wird nach den Empfehlungen des Robert Koch-Institutes geimpft. Bis jetzt hatte das bei der Kleinen auch keine Folgen. Mit einer Impfung schützt man ja auch Menschen, die wegen einer Erkrankung nicht geimpft werden können.

Wir haben ihn impfen lassen - aber nicht gegen alles. Die Hepatitis-B-Impfung halten wir später für sinnvoll. Bei Meningokokken und Pneumokokken sind wir vom Nutzen nicht überzeugt. Marek hatte nach einer Impfung einen Pseudokrupp. Wir wollten, dass das an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet wird. Der Kinderarzt sah aber  keinen Zusammenhang zur Impfung.

Ich bin da sehr hinterher. Es ist mir sehr wichtig, dass die Kinder den kompletten Impfschutz nach Impfkalender des Robert Koch-Institutes haben. Impfungen gibt es nicht grundlos. Sie geben  den Kindern einen gewissen Schutz. Impfreaktionen gab es bisher nicht. Höchstens etwas erhöhte Temperatur. Aber das war alles im normalen Rahmen.

Meine Kinder sind voll durchgeimpft. Vor den entsprechenden Terminen erhalten wir eine Benachrichtigung vom Kinderarzt, damit wir die entsprechende Impfung nicht vergessen. Ich möchte mir als Mutter später keine Vorwürfe machen.

Und wenn tatsächlich kein oder kein ausreichender Impfschutz vorhanden ist? „Dann“, so fügt sie hinzu, „gibt es die Möglichkeit einer sogenannten Riegelungsimpfung. Das ist eine Impfung aller Kinder beziehungsweise Kontaktpersonen. Mit der Riegelungsimpfung wird eine Immunbarriere aufgebaut. Die sogenannte postexpositionelle Impfung betrifft nur die unmittelbaren Kontaktpersonen und hilft, die Infektketten zu durchbrechen.“ Mit anderen Worten: Es wird sofort geimpft, um das Immunsystem zur Antikörperbildung zu stimulieren.

Das Masernvirus, das vom Kontakt bis zur Ansteckung 14 bis 21 Tage braucht, kommt dann nicht mehr zum Zuge. „Das heißt, die Antikörperbildung, durch das Impfvirus angekurbelt, erfolgt schneller, als die Ansteckung“, erklärt die Ärztin. „Allerdings geht das auch manchmal schief - in Fällen, in denen es doch schon zu spät war, weil der Kontakt zu einem Erkrankten schon länger zurücklag. Das Masernvirus ist schon etwa fünf Tage vor Auftreten des Ausschlages ansteckend.“

Entscheiden sich Eltern gegen diesen Schritt, dann kann für die Inkubationszeit, also für diese 14 bis 21 Tage, ein Schulbetretungsverbot ausgesprochen werden. Die Schule werde davon in Kenntnis gesetzt, um die Betreffenden gegebenenfalls nach Hause zu schicken, unterstreicht Gröger. Das Gesundheitsamt könne das Einhalten des Schulbetretungsverbotes vor Ort nicht kontrollieren. Deshalb sei die Mitarbeit der Schule/Gemeinschaftseinrichtung erforderlich.

Eigentlich dürften die Betroffenen dann auch an außerschulischen Aktivitäten wie Fußball, Orchester, Chor nicht teilnehmen. Aber das sei sehr schwer zu kontrollieren.

Solche Schulbetretungsverbote wurden 2015 in Halle 33 Mal ausgesprochen. Es habe, sagt Gröger, die Eltern aber nicht so hart getroffen wie bei dem etwas kleineren Masern-Ausbruch von 2013. Die älteren Schulkinder könnten allein zu Hause bleiben. 2013 seien aber vor allem Kinder im Grundschulbereich betroffen gewesen. Das habe manche Eltern, die eine Betreuung organisieren mussten, schon in Schwierigkeiten gebracht. Vor allem jene in einer Schule der Stadt, in der je nach Klasse 18 bis 35 Prozent der Kinder nicht geimpft gewesen seien.

Warum es besser ist, Kinder impfen zu lassen

Übrigens - für einige Eltern sei die Entscheidung eines großen Kita- und Hortträgers, nur noch geimpfte Kinder aufzunehmen, Anlass gewesen, über das Impfen noch einmal nachzudenken, erzählt Gröger. Aber abgesehen davon empfiehlt sie allen Eltern, ihre Kinder impfen zu lassen. „Sie sind in der Verantwortung für eine Person, die die Entscheidung allein für sich noch nicht treffen kann“, betont sie. „Gerade bei Masern kann noch nach Jahren die tödliche Gehirnentzündung SSPE auftreten.“

Sicher sei das sehr selten. „Aber es gibt diese Fälle. Und ich könnte nicht damit leben, wenn mein Kind eine solche Krankheit bekäme, gegen die ich hätte vorbeugen können“, sagt die dreifache Mutter. Zudem wisse niemand, mit welchen Krankheiten ein Mensch im Laufe des Lebens noch zu kämpfen habe. „Da ist es doch gut, wenigsten das, was ich im Vorfeld ausschalten kann, auch auszuschalten“, unterstreicht sie.

Nichtgeimpfte profitieren von Herdenimmunität

Zudem bestehe auch der Gesellschaft gegenüber eine gewisse Verantwortung. Die Nichtgeimpften profitierten nämlich von der Impfwilligkeit der anderen, von der sogenannten Herdenimmunität, erklärt die Ärztin. Wenn die für einzelne Erkrankungen sehr gut sei, bestehe die Chance, Krankheiten auszurotten. Außerdem gebe es Kinder, bei denen bestimmte Impfstoffe - etwa der Lebendimpfstoff - nicht verwendet werden könnten. Etwa weil sie eine Chemotherapie erhielten und ihr Immunsystem geschwächt sei. Für sie ist es wichtig, dass die Menschen um sie herum gut geschützt seien, damit sie sich bei ihnen nicht ansteckten.

Gröger, die seit elf Jahren im Gesundheitsamt arbeitet und es seit vier Jahren leitet, verweist darauf, dass in dieser Zeit keine schwere Impfkomplikation gemeldet worden sei. Sicher gebe es nach der Spritze mal Fieber oder mal einen Ausschlag - sogenannte Impfmasern, die mit der eigentlichen Erkrankung aber nichts zu tun haben. Das sei nicht schön, liege aber im normalen Bereich.

Übrigens wundert sich die Amtsärztin mitunter über den Sinneswandel mancher impfkritischen Eltern, wenn ihr Kind zu einem Austauschjahr in die USA reisen möchte. Ohne ein Zertifikat, dass eine Masern/Mumps/Röteln-Impfung vorliegt, gibt es in diesem Falle keine Einreise in die USA. „Und dann funktioniert es plötzlich. Aus meiner Sicht wäre es konsequent, dann zu sagen: USA geht eben nicht.“

Aber wie sagen die Ärzte letztlich: Jede Impfung zählt. (mz)