Arztdiagnose: Wann eine Zweitmeinung sinnvoll ist
Berlin/Bielefeld/dpa. - Das Gefühl kennen viele Patienten: Das Gespräch mit dem Arzt hat sie verunsichert - weil die vorgeschlagene Behandlung riskant ist, von der gesetzlichen Krankenkasse nicht bezahlt wird oder weil die Diagnose das ganze Leben verändert.
Viele Menschen wollen in solch einem Fall die Meinung eines zweiten Arztes hören. Doch vorher sollten sie versuchen, ihre Fragen mit dem ersten Mediziner zu klären. «Die Patienten beschweren sich ja häufig, dass die Ärzte nicht genug sagen. Sie selbst schweigen aber genauso, wenn sie ein Problem oder eine Beschwerde haben», begründet Dörte Elß von der Verbraucherzentrale Berlin diesen Rat. Ängste oder Unsicherheiten gehören daher in das Gespräch mit dem ersten Arzt. Gute Gründe, eine zweite Meinung einzuholen, gibt es trotzdem.
Wann eine Zweitmeinung sinnvoll ist: Judith Storf ist seit vielen Jahren Beraterin bei der Unabhängigen Patientenberatung in Bielefeld. Sie erlebt häufig, dass Patienten sich vom ersten Arzt noch nicht richtig über Therapiemöglichkeiten aufgeklärt fühlen oder die Diagnose überprüfen lassen wollen. Manchmal berichteten Patienten auch, dass der Arzt selbst ihnen zum Einholen einer Zweitmeinung geraten habe.
Auch die Bundesärztekammer in Berlin befürwortet grundsätzlich das Prinzip der zweiten Meinung. «Wenn man sich beispielsweise bei Geldanlagen schon zwei- oder sogar dreimal beraten lässt, dann sollte man, wenn es um die eigene Gesundheit geht, das erst recht tun», sagt Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe. Vor allem bei Diagnosen, die für das weitere Leben große Bedeutung haben, sei die Zweitmeinung angebracht: nicht nur bei Tumoren, sondern auch bei degenerativen Erkrankungen - also solchen, die die eigene Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigen können. «Da sollte man sich die größtmögliche Sicherheit holen.»
Welche Dokumente dem Patienten zustehen: Die sogenannte Patienten-Dokumentation, also alles, was der Arzt aufschreibt, gehört auch dem Arzt - zumindest die Originale. Aber der Patient hat laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein Recht darauf, diese Dokumentation als Fotokopie zu bekommen. Bei Röntgenbildern sei es schon schwieriger, schränkt Dörte Elß von der Verbraucherzentrale Berlin ein: Nach der Röntgenverordnung muss jeder Arzt die Bilder für zehn Jahre behalten. Wenn er die Originale nicht herausgibt, könnten die Patienten bitten, die Bilder gegen Quittung zu leihen. «Ansonsten haben Sie auf jeden Fall Anspruch auf eine Kopie - die müssen Sie allerdings selber zahlen.»
Die zweite Meinung finden: Von Suchmaschinen im Internet, die einen zweiten Arzt ausspucken sollen, rät Judith Storf ab: «Die Qualität und Seriosität dieser Maschinen tendieren gegen Null.» Besser sei eine unabhängige Beratung in der Region. «Die hat den Vorteil, dass sie einen guten Überblick über das Ärzteangebot hat. Und auch wenn sie keinen Arzt empfehlen kann, kann sie doch mehrere Varianten aufzeigen.» Wer unsicher ist, kann sich auch an seine Krankenkasse wenden. Viele Kassen bieten Hilfe durch Spezialisten in Hotlines oder Sprechstunden an.
Zwei Ärzte, zwei Meinungen: In diesem Fall hilft nur eins - zu überlegen, was für die eigenen Interessen vernünftiger erscheint. Hat vielleicht ein Arzt ein finanzielles Interesse an einer Behandlungsmethode? Gibt es medizinisch anerkannte Standardbehandlungen? Und dann heißt es: entscheiden. «Das ist die Kehrseite des mündigen Patienten», sagt Verbraucherschützerin Elß. «Wenn Sie alle Informationen beisammen haben, müssen Sie Ihre Entscheidung treffen.» Nur aus Pflichtgefühl dem einen Arzt gegenüber zu handeln, ist hierbei nicht ratsam.