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Gesellschaft Gesellschaft: Wenn der Job der Freundin am Ego nagt

04.10.2005, 08:59
«Warum fährt er so einen Ami-Schlitten und ich nicht?» - Wer auf einen anderen wegen seines Besitzes neidisch ist, sollte nicht vergessen, was ihn die Anschaffung an Zeit und Geld gekostet hat. (Foto: dpa)
«Warum fährt er so einen Ami-Schlitten und ich nicht?» - Wer auf einen anderen wegen seines Besitzes neidisch ist, sollte nicht vergessen, was ihn die Anschaffung an Zeit und Geld gekostet hat. (Foto: dpa) Jens Schierenbeck

Frankfurt/Main/dpa. - Wer lernt, mit Neid umzugehen,macht sich das Leben leichter.

«Beim Neid handelt es sich um eine Reaktion darauf, dass sich einbegehrtes Gut, auf das man selbst nicht verzichten möchte, im Besitzeines anderen befindet», sagt Rolf Haubl, Psychologie-Professor ausFrankfurt und Autor einer Studie über Neid. Dabei können sowohlmaterielle als auch immaterielle Güter Neid auslösen.

«Neid ist immer der Spiegel meines eigenen Mangels», erklärt HelgaKönig, Psychologin aus Dorsten (Nordrhein-Westfalen). «Statt auf michselbst konzentriere ich mich auf den anderen.» Besonders ausgeprägtseien neidische Gefühle bei Menschen mit mangelndem Selbstwertgefühl,die nicht gelernt haben, nach den eigenen Bedürfnissen zu leben.

Neid hat verschiedene Gesichter: Während manche Neider ihrenMitmenschen den Besitz nicht gönnen und alles versuchen, ihnen diesenzu verleiden, reagieren andere mit Traurigkeit und Resignation. Die«feindselig-schädigende» Form des Neides hat Haubl eher bei Männern,die «depressiv-lähmende» eher bei Frauen beobachtet. Letztere bekämenoft Essstörungen und neigten dazu, Aggressionen, die sie nicht nachaußen los werden können, gegen sich selbst zu richten.

Neider hätten die Tendenz, ihre Gefühle zu verkleiden, sagt Haubl.Die Selbsterkenntnis werde aber auch dadurch erschwert, dass Neidgesellschaftlich verpönt sei, so König. Darum ist der erste Schrittaus der Neidfalle der Schwerste: Sich den Neid einzugestehen.

Typisch für Neider ist eine einseitige Buchhaltung. «Ich beobachtebeim anderen, was er mehr hat, interessiere mich aber nicht dafür,was es ihn gekostet hat», sagt Haubl. Der Neider hätte vielleichtauch gern ein bestimmtes Auto, sei aber nicht bereit, 14 Stunden amTag dafür zu arbeiten. Haubl rät, die Gesamtrechnung aufzustellen undeinen Blick auf die Kosten des anderen zu werfen.

Doch nur selten geht es wirklich um das tolle Auto. «Neiderunterstellen, dass der andere durch das größere Auto auch mehrAnsehen und Anerkennung genießt», sagt Haubl. Das gehe soweit, dassder Neider darauf neidisch ist, dass der andere mehr beneidet wird.

Wichtig ist daher herauszufinden, was wirklich hinter dem Neidsteckt. «Dafür sollte man sich in einem ruhigen Moment die Fragestellen: "Was ist wirklich los mit mir?"», rät Regina Tamkus,Psychologin aus Berlin. Wer die inneren Bilder kommen lasse, demwerde irgendwann bewusst, was ihm fehle und wo der Mangel herkomme.

Möglicherweise merke der Neider beim Erforschen der eigenenGefühle und Bedürfnisse, dass er gar nicht auf die Beziehung derFreundin neidisch ist, sondern einfach in der eigenen Beziehung mehrFreiheit braucht, sagt König. Vielleicht ist auch die eigene Wohnungnicht zu klein, sondern braucht nur etwas mehr Licht?

Neid weist den Betroffenen darauf hin, dass er mit sich selbst undseiner Umwelt nicht im Reinen ist, erklärt Prof. Haubl und siehtdarin auch eine Chance: «Es ist eine Art Aufforderung, sich mit demeigenen Lebensentwurf auseinanderzusetzen und zu überlegen: Wasinvestiert du eigentlich, um an bestimmte Güter heranzukommen?».

Neid belastet aber nicht nur die Betroffenen, sondern kann auchFreundschaften gefährden. «Neid schafft Distanz», so Tamkus. DerNeider ziehe sich immer mehr zurück und meide den Kontakt. Wichtigsei daher, das Gefühl, das zwischen den Freunden steht, anzusprechen.Wer selbst neidisch sei, sollte seine Gefühle so formulieren, dasssie der andere als Ausdruck der Bewunderung, auffassen kann. «Wennman sagt: "Ich beneide dich um deinen Erfolg", klingt das für beideSeiten angenehmer als: "Ich bin neidisch auf dich"», erklärt König.

Der Beneidete sollte das Geständnis jedoch nicht als Aufforderungverstehen, sich vor dem anderen kleiner zu machen oder den Erfolgherunterzuspielen. Vielmehr sollte er anbieten, dem Freund dabei zuhelfen, die hinter dem Neid stehenden Gefühle zu erforschen. Eineandere Möglichkeit sei, den Erfolg zu teilen. «Ist die Freundinneidisch auf die Beziehung, dann kann man darüber reden, wie man esschafft, die Liebe lebendig zu halten», sagt König. «Geht es um denErfolg, kann man verraten, wie man das angestellt hat.»

Den Neider auf seine Gefühle anzusprechen, hält König für falsch.«Der andere macht dann sofort zu.» Ratsam sei stattdessen, über dieWünsche und Potenziale zu reden, die der andere hat. Ganz sicherfinde sich dabei etwas, worum der Neider von anderen beneidet wird.