1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Freizeit: Freizeit: «Führerschein» für DJs

Freizeit Freizeit: «Führerschein» für DJs

Von Sabine Dobel 08.11.2005, 17:47

München/dpa. - Den leisen Tönen gehört die Zukunft: Wie die Zelteauf dem Münchner Oktoberfest wollen auch Discotheken den Lärmpegelzurückschrauben. Im Münchner Club P1 startete dazu am Montag dererste Lehrgang samt Prüfung zu einem «Führerschein» für Discjockeys.Die DJs sollen lernen, wie sie mit ihrer Musik unter 100 Dezibelbleiben können. Denn laute Musik schlägt auf die Ohren. «Schon jedervierte Jugendliche hört schlechter», sagte Umweltminister WernerSchnappauf (CSU) beim Start des gemeinsamen Projekts von Ministeriumund Techniker Krankenkasse (TK). Die Ausgaben für Hörhilfen beiKindern und Jugendlichen stiegen laut TK in den vergangenen Jahren um80 Prozent.

In manchen Discotheken herrscht mit bis zu 120 Dezibel ein Lärmwie beim Start eines Jumbo-Jets, und selbst 100 Dezibel entsprechennoch dem Krach eines Presslufthammers aus zehn Metern Entfernung.Nach den gesetzlichen Regelungen dürfen Arbeitnehmer derartigem Lärmnur eine Viertelstunde ausgesetzt sein. Bei Freizeitlärm gibt esbisher keine vergleichbare rechtliche Vorgabe.

Die Folgen zu lauter Musik reichen von Schwerhörigkeit überOhrgeräusche bis hin zum Hörsturz. Wenn sich an dem Lärmpegel aufDeutschlands Tanzflächen nichts ändert, wird nach Expertenmeinungjeder zehnte Jugendliche einen bleibenden Hörschaden bekommen.Fachleute fürchten, dass in 50 Jahren jeder dritte Jugendliche einHörgerät benötigen könnte. «Hörschäden durch zu hohe Schallpegel sindnicht heilbar», warnt TK-Landeschef Helmut Heckenstaller. «Wer injungen Jahren sein Gehör durch Disko- und Konzertbesuche schädigt,bringt sich für den Rest seines Lebens um den Hörgenuss und hatdarüber hinaus Nachteile im Beruf und im Privatleben.»

Die Gesundheitsministerkonferenz hatte sich im Sommer daraufverständigt, dass Discotheken und Rockkonzerte leiser werden sollen.Die entsprechenden Spitzenverbände sollen Selbstverpflichtungenabgeben, andernfalls greift der Gesetzgeber ein. Die Lärmbelastungsoll unter 100 Dezibel bleiben - eine Steigerung auf 103 Dezibelbedeutet bereits ein Verdopplung des Schalldrucks auf dasTrommelfell.

Rund 150 DJs drängten am Montagnachmittag zu der bayernweit erstenDJ-Führerschein-Prüfung ins P1, bundesweit haben schon rund 700Discjockeys das Zertifikat erworben. Thema der Schulung sind nebengesundheitlichen Folgen lauter Musik auch rechtliche Fragen. Denn DJwie auch Disko-Betreiber können zur Verantwortung gezogen werden,wenn Besucher Gesundheitsschäden erleiden. Außerdem lernen dieDiscjockeys, wie sie mit technischen Tricks auch unter 100 Dezibeloptimalen Sound erreichen.

Der Berufsverband deutscher Discotheken und Tanzbetriebeunterstützt die Aktion. Und der Präsident des Berufsverbandes Disc-Jockey, Dirk Wöhler, der seit elf Jahren am Mischpult steht, istsicher: «Die Qualität der Musik hängt nicht von der Lautstärke ab.»In den Nachbarländern Österreich, Italien, Spanien und Schweiz gibtes laut Wöhler bereits gesetzliche Grenzwerte - und die liegenzwischen 93 und 95 Dezibel.