Deutscher Lehrkräftepreis 2022 Freie Grundschule Wernigerode ausgezeichnet: Wie die Schule dem Lehrermangel und Alltagsstress trotzt
Während viele Kollegien in Sachsen-Anhalt mit Personalnot und Stress ringen, punktet die Freie Grundschule im Harz mit stabilem Stundenplan und reichlichem Kulturangebot. Dafür wurde die Leitung von Hort und Schule nun mit einem bundesweiten Preis ausgezeichnet. Auf welches Erfolgsrezept die Pädagoginnen setzen.

Wernigerode/MZ - Nachrichten aus Sachsen-Anhalts Bildungssektor waren zuletzt meist wenig erfreulich. Vielen Schulen ringen mit Personalmangel, Stundenausfall, Stress. In der Freien Grundschule Wernigerode (Harz) ist das anders. Die Unterrichtsversorgung hier: 100 Prozent. „Das gibt es an kaum einer Schule“, sagt Schulleiterin Andrea Probst.
Deutscher Lehrkräftepreis 2022 geht nach Wernigerode
Außerdem bietet ihr Haus besondere Musikprojekte, eine komfortable Personalsituation, eine gute Stimmung im Kollegium. Das verdanke die Schule auch ihrem Ruf, sagt Probst.
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Schulleiterin Andrea Probst und Hortleiterin Monika Heinemann von der Freien Grundschule Wernigerode sind am Montag mit dem Deutschen Lehrkräftepreis 2022 ausgezeichnet worden. Träger der privaten Einrichtung ist die Oskar Kämmer Schule.
Der Preis, den die Heraeus Bildungsstiftung und der Deutsche Philologenverband verleihen, will die besondere Leistung von Lehrern würdigen.
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Leitungsduo aus Sachsen-Anhalt empfängt Lehrer-Preis in Berlin
In Berlin nahmen die Leiterinnen aus dem Harz als einzige Preisträgerinnen aus Sachsen-Anhalt den mit 1.000 Euro dotierten Sonderpreis „Kulturelle Bildung“ in der Kategorie „Vorbildliche Schulleitung“ entgegen.
Nominiert wurde das Duo vom eigenen Kollegium. Insgesamt hatten sich 8.500 Lehrer und Schüler am Wettbewerb beteiligt. Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) lobt die Harzer Schule als Vorbild. Was ist das Erfolgsrezept?
Kaum Unterrichtsausfall an Freier Grundschule in Wernigerode
Nun, die Belastung sei auch an ihrer Schule hoch, sagt Schulleiterin Probst. Doch das Team hat einen Weg gefunden, dem Alltagsstress zu trotzen. Kern ist eine enge Zusammenarbeit von Hort und Schule. 87 der 88 Grundschüler besuchen den Hort. Falle eine Lehrerin etwa wegen Krankheit aus, springe eine Hortbetreuerin ein und verteile Übungsaufgaben.
Das Arbeitsklima muss stimmen, das ist das A und O.
Andrea Probst / Schulleiterin
Und auch die Lehrerinnen helfen bei Bedarf im Hort aus. „Somit fällt nur selten Unterricht aus“, so Probst. Ein pragmatischer, kollegialer Ansatz – er spiegelt die Einstellung der beiden Leiterinnen.
Preis für Leitung und Kultur: Grundschule setzt auf Teamgeist
Fragt man Andrea Probst, was es für einen reibungslosen Schulalltag braucht, kommt die Antwort prompt: „Das Arbeitsklima muss stimmen, das ist das A und O.“ Lehrer finden und bezahlen, das sei das eine.
„Aber gerade wenn es mal stressig ist, dürfen sich die Kollegen nicht alleingelassen fühlen.“ In Wernigerode tun sie das offenbar nicht. Probst schaffe ein „familiäres Arbeitsklima“, Hortleiterin Heinemann zeige „große Empathie“, schrieben die Mitarbeiter in der Nominierung.
Aber hilft das wirklich gegen den Lehrermangel? Probst erinnert sich: Eine junge Kollegin habe nach dem Referendariat mit dem Beruf gehadert. Zuvor hatte sie ein Praktikum in Wernigerode gemacht. Der Teamgeist habe sie dann doch überzeugt. „Jetzt arbeitet sie bei uns.“
Harzer Schule punktet mit besonderem Musikprojekt
Das gute Arbeitsklima ist nicht das Einzige, was die Grundschule auszeichnet. Die konnte die Preisjury auch mit ihrem Musikangebot überzeugen. Im Rahmen des Projektes „Mensch – Beethoven!“ organisierten Schul- und Hortmitarbeiter zum Ende des vergangenen Schuljahres fünf Aufführungen vor insgesamt 1.500 Zuschauern.
Schauspiel, Kostüm, Gesang, Musik, Tanz – mit dem Philharmonischen Kammerorchester der Stadt traten 50 Schüler auf. Die Lorbeeren reicht Schulleiterin Probst hier an Musiklehrerin Simone Drebenstedt weiter: „Sie lockt aus den Schülern heraus, was man oft nicht für möglich hält.“
Stärkere Verzahnung von Schule und Hort
Das Beispiel der Grundschule zeigt vor allem eines: Das Klassenzimmer kann zum Wohlfühlort werden – trotz der Bildungskrise. Was muss passieren, damit das auch andernorts fruchtet? „Das Wichtigste ist der wertschätzende Umgang miteinander“, sagt Probst. Stärken betonen, statt Schwächen auszuwalzen, zusammenarbeiten.
Das mag für manche banal klingen, ist aber erfolgreich. Und es hat wohl auch dem Bildungsministerium in Magdeburg imponiert. Laut Feußner strebt das Land bis 2026 an allen Grundschulen eine solche Kooperation zwischen Schule und Hort an.